Julie Weil geborene Gutmann,
Stuttgart-Degerloch Fideliostraße 15
Die am 6. Mai 1882 in Stuttgart geborene Julie Weil, geb. Gutmann, eine Schwester des Arztes Robert Gutmann, der ebenfalls ein Opfer der Nationalsozialisten wurde, hatte ihren letzten frei gewählten Wohnsitz in der Fideliostraße 15 in Stuttgart-Degerloch, wo am 29. April 2006 ein Stolperstein für sie gesetzt wurde.
Sie war die Witwe des Staatsanwalts Ludwig Weil, der als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatte und schon nach wenigen Tagen gefallen war. Im Nachruf seiner Offiziere heißt es: „Heute starb den Heldentod für König und Vaterland der Vizewachtmeister Ludwig Weil, K. Staatsanwalt. Wir betrauern in ihm einen treuen, lieben und vornehmen Kameraden. - 8. September 1914, Offizierskorps Ersatz-Abt. Feldast. Regts. 13.“
Noch zwanzig Jahre später, also schon mitten in der Nazizeit, schrieb das Württembergische Justizministerium an seinen Sohn Heinz Weil von ihm als einem „im Weltkrieg gefallenen Staatsbeamten, der auch als solcher seine Pflicht stets erfüllt hat.“ Sicher auch deshalb wollte Julie Weil zu lange nicht glauben, dass ihr Leben in Deutschland gefährdet ist und wollte nicht emigrieren. Nach dem Tode ihres Mannes wohnte Julie Weil mit ihrem einzigen Sohn Heinz bis 1928 in der Arminstraße, dann in der Neuen Weinsteige 45, 1935 zogen sie in die Seestraße, in die heutige Fideliostraße 15.
Heinz Weil besuchte das Karlsgymnasium, wie einst sein Onkel Robert Gutmann. Er konnte zwar noch Jura studieren. Als er sich aber im Oktober 1935 zur Prüfung anmeldete, wurde ihm schon mitgeteilt, dass er nicht zum Referendar bestellt und in den Vorbereitungsdienst aufgenommen würde. Im März 1938 emigrierte er nach Frankreich. Seine Mutter begleitete ihn zum Stuttgarter Bahnhof, wie sie 1914 ihren Ehemann begleitet hatte. Und wieder wurde es ein Abschied für immer. Allerdings hatte sie mit ihrem Sohn bis kurz vor ihrer Deportation noch Briefkontakt über eine befreundete Familie Fritzel in der Schweiz. Die letzten drei Postkarten brachte ihr Sohn, der nach dem Krieg nach Deutschland zurückkehrte, wieder mit. Sie sind in dem Buch „Stuttgarter Stolpersteine auf Seite 131/132“ abgedruckt. Heinz Weil war zuletzt Präsident des Landgerichts Ellwangen. Nach seiner Pensionierung schrieb er das Buch: „Am Rande des Strudels – Erinnerungen 1913 bis 1983“. Er starb 1998. Seine Witwe, seine beiden Töchter, ein Enkel und zwei Urenkelinnen leben in Deutschland. Seine Witwe, die ihren Ehemann erst 1947 in Deutschland kennen lernte und deshalb ihre Schwiegermutter nicht mehr persönlich kannte, besitzt neben den erwähnten Originalpostkarten auch die Abschrift des ganzen Neuen Testamentes, das die Anthroposophin Julie Weil zur eigenen Ablenkung und Beruhigung in Handschrift abschrieb, als sie ab 1941 in der Waldstraße 4 in Stuttgart-Degerloch wohnen musste.
Am 26. April 1942 wurde Julie Weil nach Izbica deportiert und später umgebracht.
Recherche und Text: Doris Neu, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Fildervororte.
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg, Buch ihres Sohnes Dr.Heinz Weil:
„Am Rande des Strudels -Erinnerungen1913 -1983“,
Kontakte zur Schwiegertochter, der noch lebenden Ehefrau von Dr. Heinz Weil,
und Zeitzeugen. Siehe auch Stolpersteinbuch S. 128, Waldstr. 4.
ZEITGENOSSE DEMNIG
Für die SWR-2-Reihe "Zeitgenossen" hat Andreas Langen mit Gunter Demnig, Erfinder der Stolpersteine, gesprochen...
Podcast "gedenkworte" Akademie für gesprochenes Wort - Uta-Kutter- Stiftung und Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
Das Sprecherensemble der Akademie für gesprochenes Wort spricht die Geschichte der Personen hinter den Stoplersteinen. Ein gemeinsames Projekt der Akademie für gesprochenes Wort und der Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter