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Verlegung weiterer Stolpersteine am 11./12. April 2011 in Stuttgart und begleitende Veranstaltungen

Am 11. und 12. April werden in 11 Stuttgarter Stadtbezirken Stolpersteine verlegt, um an Mitmenschen zu erinnern, die Opfer des Nationalsozialismus wurden

Werner Levi kam 1941 zur Welt. Sein Leben dauerte nur wenige Wochen, denn am 1. Dezember 1941 wurde er mit seinen Eltern Walter und Hanna Levi sowie fünf Geschwistern im Alter zwischen 3 und 13 Jahren nach Riga deportiert und ermordet. Fast wäre es den Nationalsozialisten gelungen, das Baby und seinen Namen auszulöschen. Doch nun soll auch an den kleinen Werner ein Stolperstein in der Alexanderstr. 81 erinnern, wo bereits seiner Familie gedacht wird.

Im Januar wurde der Kölner Künstler Gunter Demnig für sein europaweites Kunstprojekt zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus mit der Otto-Hirsch-Gedenkmedaille ausgezeichnet. Am Montag, 11. und Dienstag, 12. April wird er nun in Stuttgart weitere 46 Stolpersteine verlegen, 12 davon für Opfer der “Euthanasie”.

Willy Bosch aus Zuffenhausen beispielsweise versuchte sich 1926 das Leben zu nehmen. Über das Bürgerhospital kam er nach Winnenden und schließlich in die Pflege- und Bewahranstalt Liebenau, wo er ruhig lebte und noch viel bei den Hausarbeiten mithalf, bis er 1940 in Grafeneck mit Giftgas ermordet wurde. Dieses Schicksal teilte auch Lydia Hägele, die einer Fehlgeburt, dem Tod einer lieben Nachbarin und weiteren auch finanziellen Belastungen nervlich nicht gewachsen war und schließlich in die Anstalt Weinsberg kam.

Frieda Rühlemann aus Feuerbach war wegen wiederholter gewerbsmäßiger Abtreibungsversuche verurteilt worden und wurde schließlich im KZ Bernburg ermordet. Auch sie ist ein Opfer des Nationalsozialismus.

Politische Gründe führten zur Ermordung des Uhrmachers Adolf Klumpp. Klumpp leitete zusammen mit dem Kunsthistoriker Dr. Gottfried Hermann Wurz, für den es in der Hasenbergsteige bereits einen Stolperstein gibt, die rund 50 Personen zählende Stuttgarter Gruppe des Nationalkomitees Freies Deutschland. Seine Opposition zum nationalsozialistischen Regime bezahlte er im KZ Flossenbürg mit dem Leben.

Gedacht wird auch wieder jüdischen Mitbürgern, etwa den fünf Mitgliedern der Familien Richnowsky und Oppenheim, die in der Eberhardstraße ein Gold- und Silberwarengeschäft hatten, das sich großer Beliebtheit erfreute. Erst wurde ihnen in mehreren Schritten ihr Eigentum genommen und dann das Leben. Auch Marie Reif ging es so: Zusammen mit ihrem 1942 verstorbenen Ehemann hatte sie 1935 in der Eduard-Pfeiffer-Straße für 90.000 Reichsmark ein Haus gekauft. 1941 mussten sie verkaufen: Der vorgesehene Verkaufspreis von 93.000 Reichsmark wurde vom Stuttgarter Oberbürgermeister eigenmächtig auf 80.000 RM gesenkt. Und als Marie Reif 1942 nach Theresienstadt deportiert wurde, verfiel ihr trotz vieler Zwangsabgaben noch beträchtliches Vermögen dem Deutschen Reich.

Die Unmenschlichkeiten des Dritten Reichs sind Tatsache und trotzdem für uns heute kaum fassbar. Selbst die Menschen, die davon betroffen waren, hatten sich diese nicht vorstellen können: Trotz aller Widerwärtigkeiten war Dr. Eugen Kauffmann aus Bad Cannstatt, ein hochdekorierter Frontkämpfer aus dem Ersten Weltkrieg, der Überzeugung, dass er nach dem Krieg wieder als Augenarzt praktizieren dürfe und blieb mit seiner Frau. Siegfried Schwarzschild aus dem Westen glaubte nur an eine kurze Regierungszeit der Nationalsozialisten. Außerdem fürchtete er, mit 63 Jahren in den USA keine Existenz mehr zu finden. Und der Cannstatter Fabrikant Hermann Würzburger mag gehofft haben, man werde ihn als 85-Jährigen, dessen Firma längst „arisiert“ war, im Altersheim in Ruhe lassen. Sie alle wurden deportiert und ermordet.

Zur Verlegung der Stolpersteine für Sigmund, Bella und Irene Ullmann im Süden werden Verwandte aus England erwartet. Sigmund Ullmann war geachteter Bürger in Sindelfingen gewesen, wo er ein gut gehendes Viehhandelsgeschäft betrieben hatte. Unter Mithilfe des dortigen Bürgermeisters wurde das Geschäft ab 1937 in den Ruin getrieben. Die Familie, die seit 1935 in der Tübinger Straße lebte, konnte zwei ihrer Kinder noch ins Ausland schicken. Das dritte wurde mit den Eltern in den Tod deportiert.

Jeder Stolperstein nennt einen Namen und steht für eine Lebensgeschichte, dort, wo der ermordete Mitbürger zuletzt selbstbestimmt gewohnt hatte. Die Verlegung auf dem öffentlichen Gehweg wird von Gunter Demnig durchgeführt. Den begleitenden Rahmen übernimmt die Stolperstein-Initiative im jeweiligen Stadtbezirk. Beim Ehepaar Laemle in der Bismarckstraße wird diesen beispielsweise ein Kurs des Wirtschaftsgymnasiums West gestalten.

Weitere Informationen zu den Verlegungen und ihrem Ablauf gibt es bei den einzelnen Stolperstein-Initiativen, deren Kontaktadressen Sie hier oder – wie den Verlegungsplan für die beiden Tage – weiter unten finden.

Begleitend zu der Verlegung von Stolpersteinen für Opfer der NS-“Euthanasie” wird am Mittwoch, 6. April, 19 Uhr, im Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, Rotenbergstr. 111, der NS-Propagandafilm “Ich klage an” aus dem Jahr 1941 unter fachkundiger Begleitung gezeigt.
Anmeldung unter E-Mail karapanagiotidis@lmz-bw.de oder Tel: 0711 2850-788. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Nähere Informationen auch beim AK „Euthanasie“ der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen (Reiner Krieger, ak-euthanasie@arcor.de, Tel. 0711 / 35 89 787).

Außerdem werden in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule Stuttgart unter dem Titel Geschichte und Geschichten rund um Stolpersteine mehrere Stadtteil-Rundgänge angeboten:
– Zuffenhausen, Freitag 08.04.2011, 15:00-16:30, Bahnhofsvorplatz S-Bahn-Haltestelle, Inge Möller
– Stuttgart-Süd, Donnerstag 14.04.2011, 18:00-19:30, Marienplatz, Siegfried Bassler
– Botnang, Freitag 13.05.2011, 15:00-16:30, Haltestelle Lindpaintnerstr. U2, Jörg Gaiß
– Stuttgart-Ost, Freitag 20.05.2011, 18:00-19:30, Ostendplatz vor dem Fotogeschäft, Gerhard Hiller
– Bad Cannstatt, Mittwoch 25.05.2011, 15:00-16:30, Leopold-Marx-Denkmal Seelbergstr.1, Anke und Rainer Redies

Weitere Infos und Kontakt über:
Initiative Stolperstein Stuttgart-Ost, Harald Stingele, Tel. 0711/46 70 66, Haraldstingele@aol.com
Initiative Stolperstein Stuttgart-Süd, Werner Schmidt, Tel. 0711/6 20 79 62, werner.schmidt@n.zgs.de 
Initiative Stolperstein Stuttgart-Mitte, Gebhard Klehr, Tel. 0711/24 18 57, stolpersteine.s-mitte@arcor.de
Initiative Stolperstein Stuttgart-West, Wolfgang Kress, Tel. 0711/65 14 94, Wolfkress@t-online.de
Initiative Stolperstein Stuttgart-Nord, Jupp Klegraf, Tel. 0711/2 26 46 94, 07112264694-0001@t-online.de
Initiative Stolperstein Botnang, Jörg und Ingeborg Gaiß, Lortzingstr. 16, Tel. 0711/69 46 57, joerg.gaiss@t-online.de
Initiative Stolperstein Feuerbach, Heinz Wienand, Tel. 0711/81 21 63, huh.wienand@t-online.de
Initiative Stolperstein Stammheim, Ellen Breitling, Tel. 0711/80 15 58
Initiative Stolperstein Zuffenhausen, Inge Möller, Tel. 0711/8 70 16 89, ingeannettemoeller@googlemail.com
Initiative Stolperstein Bad Cannstatt, Anke und Rainer Redies, Tel. 0711/56 98 56, redies@redies.info 
Initiative Stolperstein Neckarvorte, Regina Erben, Tel. 0711/42 17 34, regina.erben@stuttgart.de 
Initiative Stolperstein Rohracker, Werner Ott, Tel. 0711/42 96 65, WernerOtt@ikg.es.bw.schule.de
Initiative Stolperstein Fildervororte, Doris Neu, Tel. 0711/4 57 91 36, muttergartenweg@t-online.de 
Initiative Stolperstein Sillenbuch, Hans Jörg Maier, Tel. 0711/47 54 21,
hjmaier@t-online.de 
Initiative Stolperstein Vaihingen, Elisabeth und Karl-Horst Marquart,
Tel. 0711/7 35 25 74, elisabeth_marquart@yahoo.de
Arbeitskreis „Euthanasie“, Reiner Krieger, Tel. 0711/3 58 97 87, ak-euthanasie@arcor.de 
Arbeitskreis Homosexualität, Mathias Strohbach, Tel. 0711/60 57 03, mcstrohbach@gmail.com 
Recherche “Euthanasie”-Opfer, Elke Martin, Tel. 0151 57 23 00 73, muckchen51@web.de

Verlegungsplan für Stolpersteine in Stuttgart am 11. und 12. April 2011


Stolpersteine für Stuttgart am Montag, den 11. April 2011 (Uhrzeit-Steinverlegung):

9:00 Degerloch, Jahnstr. 1, 1 Stein für Karl Schrack
9:30 S-Süd, Finkenstr. 28, 1 Stein für Gottlob Assenheimer
9:50 Vaihingen, Dachswaldweg 178, 1 Stein für Johann Uebler
10:15 S-Süd, Hohenheimer Str. 50 A, 1 Stein für Adolf Klumpp
10:45 S-Süd, Tübinger Str. 45, 3 Steine für Sigmund, Bella und Irene Ullmann
11:00 S-Süd, Tübinger Str. 41, 1 Stein für Klara Lilli Kalmbach
11:15 S-Mitte, Eberhardstr. 2, 3 Steine für Ignatz, Melanie und Lothar Oppenheim
11:30 S-Mitte, Eberhardstr. 33, 2 Steine für Arthur und Frieda Richnowsky
MITTAGSPAUSE Zukunftswerkstatt Zuffenhausen, Bönnigheimer Str. 67 (Eingang Brackenheimer Str.)
13:30 Zuffenhausen, Vandalenstr. 8, 1 Stein für Willy Bosch
14:00 Zuffenhausen, Syltstr. 4, 1 Stein für Lydia Hägele
14:30 Feuerbach, Bludenzer Str. 39, 1 Stein für Ernst Brenner
14:50 Feuerbach, Hohewartstr. 7, 1 Stein für Frieda Rühlemann
15:00 Feuerbach, Mühlstr. 22, 1 Stein für Max Wolf
15:15 Feuerbach, Klagenfurter Str. 12, 1 Stein für Karoline Kömpf
15:30 Feuerbach, Elsenhansstr. 1, 1 Stein für Arthur Werner

Stolpersteine für Stuttgart am Dienstag, den 12. April 2011 (Uhrzeit-Steinverlegung):
8:00 S-Ost, Neue Str. 14 C, 1 Stein für Sophie Findling
8:20 S-Ost, Ameisenbergstr. 30, 1 Stein für Hans Bebion
8:40 S-Mitte, Alexanderstr. 81, 1 Stein für Werner Levi
9:00 S-West, Schwabstr. 126, 2 Steine für Bernhard und Hedwig Schreiber
9:20 S-West, Klopstockstr. 34 A, 1 Steine für Siegfried Schwarzschild
9:40 S-Nord, Hauptmannsreute 7, 2 Steine für Max und Jeanette Bamberger
10:00 S-Nord, Lenzhalde 61, 2 Steine für Wilhelm und Anna Lichter
10:30 S-Nord, Eduard-Pfeiffer-Str. 107, 1 Stein für Marie Reif
11:00 S-West, Bismarckstr. 77, 2 Steine für Adolf und Ella Laemle
11:30 S-Mitte, Weimarstr. 17, 1 Stein für Emil Rohrer
MITTAGSPAUSE im Naturfreundehaus Steinbergle am Killesberg, Stresemannstr. 8
13:00 S-Nord, Löwentorstr. 36, 2 Steine für Erwin und Martha Levison
13:30 Bad Cannstatt, Brunnenstr. 55, 1 Stein für Hermann Würzburger
13:45 Bad Cannstatt, Daimlerstr. 44, 2 Steine für Eugen und Else Kauffmann
14:00 Bad Cannstatt, Daimlerstr. 56, 2 Steine für Karl und Emilie Oppenheimer
14:15 Bad Cannstatt, Daimlerstr. 58, 4 Steine für Sally und Jula Gutmann, Bertha und Jakob Jordan
14:45 Untertürkheim, Schlotterbeckstr. 4, 1 Stein für Christiane Marie Haug

Die angegebenen Uhrzeiten können nur eine grobe Orientierung für den geplanten Zeitpunkt der Verlegung sein – Verschiebungen lassen sich trotz sorgfältiger Planung leider nicht ganz ausschließen – Änderungen sind möglich – Wer bei einer Steinverlegung dabei sein will, sollte sich deshalb möglichst frühzeitig am Verlegungsort einfinden! Aufgrund des eng bemessenen Zeitplans kann Gunter Demnig an den vor Ort stattfindenden Rahmenveranstaltungen jeweils nur kurz teilnehmen!