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Stolperstein-Verlegungen im Herbst 2022

Da Gunter Demnig erst wieder im März 2023 nach Stuttgart kommen kann, werden die Steine bei dieser insgesamt 39. Stuttgarter Verlegung seit 2003 wie bereits im Herbst letzten Jahres mit Unterstützung des Tiefbauamts und der ausführenden Firma Bollmann in Eigenregie verlegt. Bei der Aktion, die auf drei Tage verteilt ist (28. September 2022 in Cannstatt, 19. Oktober 2022 in Cannstatt, S-Ost, S-Nord, S-Süd und Weilimdorf sowie am 26. Oktober 2022 in S-Süd), werden elf neue Stolpersteine für Menschen gesetzt, die von den Nazis verfolgt, vertrieben und ermordet wurden, weil sie Juden waren, eine Behinderung hatten oder Widerstand leisteten (außerdem müssen in S-Ost, S-Mitte und S-Süd schon einmal verlegte Steine wegen Beschädigung durch Bauarbeiten ersetzt werden, wobei der Austausch bis auf den Stein für Jenny Grimminger in S-Süd jeweils ohne Zeremonie erfolgt). Insgesamt nähert sich das Projekt in Stuttgart damit der Tausendergrenze! 

Der Bautrupp bohrt die Löcher, verlegt die Steine und sorgt für die ordnungsgemäße Fixierung im Gehweg, was je nach Bodenbeschaffenheit unterschiedlich lang dauern kann. Die im untenstehenden Routenplan angegebenen Uhrzeiten können daher nur eine grobe Orientierung für den voraussichtlichen Zeitpunkt der Verlegung sein, Verschiebungen lassen sich trotz sorgfältiger Planung nicht ausschließen, Änderungen sind also möglich!

Stolpersteine für Stuttgart am Mittwoch, den 28. September 2022:

9:40 Bad Cannstatt

König-Karl-Str. 22

2 Steine für DR. SIMON SCHMAL und GRETE SCHMAL

2020 wurde für Betty Schmal ein Stolperstein in der Heidehofstr. 9 verlegt. Auf den Zeitungsbericht über den Enkel Stephen Schmal in den USA meldeten sich drei hochbetagte ehemalige CannstatterInnen, die sich gerne an ihren ehemaligen Kinderarzt Dr. Simon Schmal erinnerten – den Sohn von Betty Schmal. Frau Anneliese Dobler, der Dr. Schmal als Kind das Leben gerettet hat, spendete aus großer Dankbarkeit die Stolpersteine für Dr. Simon Schmal und seine Frau Grete, geb. Schmidt.
Dr. Schmal praktizierte seit 1928 als Facharzt für Kinderheilkunde in der Königstr. 44 in Bad Cannstatt. Die Nazis zwangen ihn im Februar 1938 zur Aufgabe der Kassenpraxis, die er dann noch eine Zeit lang als Privatpraxis führen konnte, bevor ihn die Gestapo am 11. November 1938 in „Schutzhaft“ nahm und bis zum 18. November 1938 im KZ Dachau internierte. Am Tag seiner Entlassung starb sein Vater Julius Schmal in der Heidehofstr. 9. Dr. Schmal und seiner Frau gelingt am 23. Dezember 1938 die Flucht via Le Havre  in die USA. Zu bezahlen haben sie an den NS-Staat dafür 26.806 RM „Reichsfluchtsteuer“, 12.600 RM „Judenvermögensabgabe“ und 6.000 RM „Sonderabgabe“. Die Praxiseinrichtung muss zu Schleuderpreisen abgegeben werden.
Die mit Musik umrahmte Zeremonie, die um 9:40 Uhr in Anwesenheit des Sohnes aus den USA und ehemaligen Patienten von Dr. Schmal beginnt, wird von der Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost in Kooperation mit Pro Alt-Cannstatt e.V. durchgeführt.

Stolpersteine für Stuttgart am Mittwoch, den 19. Oktober 2022:

8:45 Bad Cannstatt

Veielbrunnenweg 62

1 Stein für CHRISTIAN WEBER

 

 

9:30 S-Ost

Gablenberger Hauptstr. 161

1 Ersatzstein für DINA ROHRBACHER

 

 

 

10:00 S-Ost

Hackstr. 16

1 Stein für IDA HELZLE

 

 

10:40 S-Nord

Seestr. 95

1 Stein für KLARA FREUND

 

 

11:20 S-Nord

Am Kräherwald 77

2 Steine für KLOTHILDE SCHLESINGER und ANNA GUMBEL

 

 

12:20 S-Mitte

Wilhelmstr. 14

2 Ersatzsteine für ISIDOR und LORE LÖWENSTEIN

 

 

12:50 S-Süd

Altenbergstr. 42

1 Stein für EUGEN GRIMMINGER

1 Ersatzstein für JENNY GRIMMINGER

 

 

 

13:30 S-Süd

Hahnstr. 43

2 Steine für HERMANN und RUDOLF WELSCH

 

 

 

14:45 Weilimdorf

Durlehaustr. 21

1 Stein für ELISABETH LÖFFLER

Das Schicksal von Christian Weber, der ab 1934 in der „Heilanstalt“ Christophsbad Göppingen war und am 12.12.1940 in Grafeneck ermordet wurde, hat Dr. Karl-Peter Krauss von der Neuapostolischen Kirche recherchiert, die auch die Verlegung zusammen mit der Feuerbacher Stolpersteininitiative und Pro Alt-Cannstatt e.V. organisiert.

Ida Helzle lebte in der Hackstr. 16 in einer Eigentumswohnung und führte eine Reisebuchhandlung, bis 1939 das NS-Regime sie in ein „Judenhaus“ in der Augustenstr. 39 A zwangseinquartierte. Am 11. Januar 1944 wurde die 68-Jährige von der Gestapo aus der Sammelstelle in Kaltental abgeholt und nach Theresienstadt deportiert, wo sie am 15. April 1945 an Unterernährung starb.

Klothilde Schlesinger, geb. Gumbel (Jg. 1864) wurde 1942 – also vor 80 Jahren – mit der letzten großen Deportation aus Stuttgart nach Theresienstadt verschleppt und dort am 4. September 1942 ermordet, Anna Gumbel (Jg. 1890) war bereits 1941 nach Riga deportiert worden, von wo sie nicht mehr zurückkam.

In der Hahnstr. 43 erinnern die Stolperstein-Initiativen Ost und Süd mit zwei Stolpersteinen für die Brüder Rudolf und Hermann Welsch an den politisch motivierten Widerstand aus der Arbeiterbewegung im damals „Roten Heslach“. Beide wurden wegen ihrer Mitgliedschaft in der KPD verfolgt. Hermann, der auch bei den Naturfreunden war, gelang 1936 die Flucht vor der Gestapo nach Chile, nachdem er zuvor in den Konzentrationslagern Heuberg und Kuhberg in “Schutzhaft” genommen worden war und danach beruflich nicht mehr Fuß fassen konnte. Rudolf konnte nach illegaler Untergrundtätigkeit 1934 nach Prag und 1937 nach Paris fliehen, wo er mehrmals interniert wurde und sich eine offene Lungen-TBC holte, die ihn lebenslang schädigte, aber nach 1945 von Staats wegen nie als haft- bzw. verfolgungsbedingt anerkannt wurde. Im Lazarettlager gelang ihm der Anschluss an die Résistance, die ihn in die Schweiz brachte. 1945 gründete er mit Friedrich Schlotterbeck die Süddeutsche Ärzte- und Sanitätshilfe für die Rückkehrer aus den Konzentrationslagern und deren Familien. Die Verlegung erfolgt im Beisein von Angehörigen und wird vom Ensemble “Hörmal Vokal” musikalisch begleitet.

Das Schicksal von Elisabeth Löffler, die 1944 in die „Heilanstalt“ Wiesloch kam, am 8. Juni 1944 nach Hadamar “verlegt” wurde und dort am 30. Juni 1944 ermordet wurde, zeigt, dass die Massentötung kranker und behinderter Menschen auch nach dem offiziellen Abbruch der „Aktion T4“ ab Januar 1941 bis Kriegsende weiter ging.

Stolpersteine für Stuttgart am Mittwoch, den 26. Oktober 2022 (Zeremonie):

16:00 S-Süd

Altenbergstr. 42

Feierstunde für EUGEN und JENNY GRIMMINGER

Eugen Grimminger wurde am 2. März 1943 wegen finanzieller Unterstützung der „Weißen Rose“ verhaftet, entging nur knapp der Todesstrafe und überlebte im Zuchthaus Ludwigsburg. Seine Frau Jenny, die bis dahin trotz ihrer jüdischen Herkunft als Frau eines „Ariers“ im brüchigen Schutz einer „Mischehe“ gelebt hatte, wurde bereits am 10. April 1943 – ihr Mann saß noch in Untersuchungshaft und war noch nicht verurteilt – über das Konzentrationslager Ravensbrück nach Auschwitz verschleppt und dort wie Millionen jüdischer Männer, Frauen und Kinder durch Ersticken in einer Gaskammer starb. Den Stein für Eugen Grimminger, der Zeit seines Lebens dem Genossenschaftswesen verbunden war und sich auch im Tierschutz engagierte, hat Holger Martens von der Historiker-Genossenschaft Hamburg angeregt. Die Feierstunde für das Ehepaar Grimminger wird von der NaturFreunde-Kulturgruppe „Die Marbacher“ mit Liedern gegen das Vergessen musikalisch umrahmt.

Die Stuttgarter Stolperstein-Initiativen – im Internet unter: www.stolpersteine-stuttgart.de
StolperKunst – eine Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen: www.stolperkunst.de
Gedenken braucht Orte – ein historisch-politischer Lernort für die Zukunft: www.hotel-silber.de
Die Website von Gunter Demnig – dem Erfinder der Stolpersteine: www.stolpersteine.eu