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Ferdinand Fleischer, Reuchlinstr. 9

Am 2. Februar 1907 kam Ferdinand Fleischer als viertes Kind der Eheleute Scholastika und Moritz Fleischer in Stuttgart zur Welt. Oft zog die Familie um, aber die verschiedenen Wohnungen waren immer in der Stuttgarter Kernstadt.

Als seine Mutter starb, war er siebzehn Jahre alt. Ferdinands Vater berichtete später einmal, dass Ferdinand gut in der Volksschule lernte und dann zum Buchbinder ausgebildet wurde. 1929 wurde er körperlich krank und konnte nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Bei der Schwäbischen Tageszeitung war er dann über zwei Jahre Ausläufer (Zeitungsausträger). Sein Vater hatte 1927 wieder geheiratet. Mehrere seiner Geschwister waren in den Jahren 1928 bis 1931 ausgezogen, und er lebte dann noch mit der Schwester Paula und dem Bruder Ludwig beim Vater und dessen zweiter Ehefrau, zunächst in der Schillerstraße 9.

Ferdinand wurde im Juli 1931 von seinem Arbeitgeber, der Schwäbischen Tageszeitung, entlassen. Dies war für ihn sehr schlimm. Laut den Aussagen seines Vaters war Ferdinand ein lebhafter und aufgeweckter Mensch, er sei an Theater, Kunst und Musik interessiert, auch beliebt sei er gewesen und habe die Familie sehr unterstützt. Noch im gleichen Monat kam Ferdinand dann wegen psychischer Schwierigkeiten ins Krankenhaus. 1933 wurde er zu den Eltern entlassen. Aber noch im gleichen Jahr verschlimmerten sich seine Beschwerden, so dass er wieder in die Klinik gebracht werden musste.

Die Familie war inzwischen in die Reuchlinstraße 9 im Stuttgarter Westen gezogen. Dort blieb Ferdinand Fleischer gemeldet. Er war in verschiedenen Anstalten. Die meiste Zeit befand er sich vermutlich in der Heilanstalt Weißenau.

Am 20. Mai 1940 wurde Ferdinand Fleischer mit dem grauen Bus nach Grafeneck gebracht und dort am gleichen Tag vergast. Die amtliche Todesnachricht wurde auf den 4. Juni 1940 gelegt, vermutlich zur Täuschung der Angehörigen. Beigesetzt wurde er im Grab seiner 1924 verstorbenen Mutter auf dem Pragfriedhof in Stuttgart.
Er wurde 33 Jahre alt.

Ferdinand Fleischer war in seiner Familie das erste nationalsozialistische Mordopfer. Zwei Brüder, eine Schwester und der Vater folgten.

Recherche: Elke Martin, Stolpersteininitiative Stuttgart,
Margot Weiß, Stolpersteininitiative Stuttgart-West,
2010, Text: Margot Weiß

Staatsarchiv Ludwigsburg, Entschädigungsakten.
Staatsarchiv Sigmaringen, Dep.44 T 1 V.29.
Stadtarchiv Stuttgart, Familienregister, Adressbücher, Deportationsliste.
Stadtarchiv München.
Landesarchiv BW, Archivnachrichten Nr. 40/März 2010.
Internationaler Suchdienst Arolsen.
Gedenkstätte Yad Vashem.
Hermann J. Pretsch (Hrsg.), “Euthanasie, Krankenmorde in Süddeutschland.”
Joachim Hahn: „Friedhöfe in Stuttgart.“ 3. Band Pragfriedhof. Israelitischer Teil, Stuttgart 1992.