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Frida und Emanuel Schömann, Doggenburgstr. 8

Die Schömanns waren eine Kaufmannsfamilie. Emanuel Schömann wurde am 9.1.1873 in Kröv an der Mosel geboren. Er zog schon bald nach Stuttgart, wo er seine Frau Frieda Schömann, geborene Schloss, * 8. 10. 1879, kennenlernte. Im Adressbuch von 1905 finden wir Emanuel Schömann als Teilhaber (zusammen mit Ludwig Stern) der Firma Schömann & Stern, Fabrik für gestrickte Herren- und Knabenbekleidung, Liststr. 28a. Später ist als Adresse für die Fabrik Böheimstr. 43 und für das Hauptkontor und Lager Urbanstr. 10 angegeben. Am 2. 9. 1914 wurde in Stuttgart die Tochter Erika geboren. Als Kriegsteilnehmer kam Emanuel Schömann aus dem 1. Weltkrieg mit einer schweren Kriegsverletzung zurück.

In den späten zwanziger Jahren wird als Firmeninhaber nur noch Ludwig Stern genannt. Ob es gesundheitliche Gründe waren, die Emanuel Schömann zum Rückzug aus der Firma veranlassten, ist nicht klar. In den Adressbüchern wird er weiterhin als Fabrikant bezeichnet.
Die Beschwerden durch die Kriegsverletzung wurden mit dem Alter immer größer, so dass die Familie beschloss, von der Heidehofstr. 9 in eine Erdgeschosswohnung in der Gerokstr.63 umzuziehen. 1936 erfolgte dann der Umzug in das neu erbaute Haus in der Doggenburgstr. 8 der Deutschen Hausbau GmbH.

Im neuen Heim sorgte Frieda Schömann für ihre Familie und ihren Mann. Ihre schon erwachsene Tochter Erika ging ihr dabei zur Hand. Doch es war dem Ehepaar Schömann nicht vergönnt, den wohlverdienten Ruhestand zu genießen. Schon im Jahre 1936, beim Einzug ins neue Haus, lebte die Familie in ständiger Sorge um die Zukunft. Als Stuttgarter Bürger jüdischer Herkunft waren sie zunehmend den Schikanen und Repressalien des Nazi-Regimes ausgeliefert. Vielleicht hatte Emanuel Schömann geglaubt, seine vaterländische Einstellung, die er schon im 1. Weltkrieg unter Beweis gestellt hatte, würde ihn und seine Familie vor dem Naziterror schützen. Alle jüdischen Familien mussten ihre wirtschaftlichen Verhältnisse offen legen. Die noch relativ begüterte Kaufmannsfamilie Schömann wurde gezwungen, alle Wertgegenstände aus Silber oder Gold und Platin, sowie Schmuck, Münzen, Uhren in der städtischen Pfandleihanstalt abzuliefern. Ersetzt bekamen sie nur den reinen Materialwert. Das einzige, was ihnen blieb, waren die Eheringe. Und anders als beim Einzug in die Wohnung erwartet, war ihnen seit 1939 die nahegelegene Endhaltestelle Doggenburg der Stuttgarter Straßenbahn keine Hilfe mehr: sie durften nicht mehr mit der Straßenbahn fahren; Fahrräder oder gar den PKW hatten sie längst abgeben müssen. Ab 1939 wurde in ihre Personalausweise ein J eingedruckt, dem Vornamen war ein Israel bzw. Sara nachgestellt.
“Haustochter” Erika Schömann, so die amtliche Bezeichnung, hatte das Glück, am 25. 8. 1939, also noch unmittelbar vor Kriegsbeginn, Deutschland verlassen zu können. Ab dem 1. September 1939 war die Ausreise aus Deutschland praktisch unmöglich. Sie verließ Stuttgart in Richtung England und ging später in die USA. Ob sich ihre Eltern ebenfalls um eine Ausreise bemühten, wissen wir nicht. Aber es für ältere Menschen auch sehr viel schwieriger, ein Land zu finden, das sie aufnahm. Ab Dezember 1939 war es Juden nicht mehr erlaubt, in Wohnungen nichtjüdischer Besitzer zu wohnen. Die jüngeren arbeitsfähigen Bürger jüdischer Herkunft wurden in sogenannten Judenhäusern zusammengepfercht. Für die Älteren, nicht Arbeitsfähigen startete die Stadt ein rigoroses Programm der Zwangsumsiedlung.

Am 20.April 1942 erhielten auch Emanuel und Frieda Schömann die Aufforderung, mit einem Minimum an Hausrat die Wohnung in der Doggenburgstraße zu räumen und in ein Notquartier in Haigerloch umzuziehen.
Noch nicht einmal zwei Monate später erreichte sie dort ein offizielles Schreiben der Gestapoleitstelle Stuttgart, das sie aufforderte, sich am 20. August. 1942 am Killesberg in der Ehrenhalle des Reichsnährstandes mit nur einem Koffer Gepäck einzufinden. Am Killesberg, nur einen Spaziergang von ihrer letzten selbst gewählten Wohnung entfernt, erhielten sie den Marschbefehl für ihre Deportation nach Theresienstadt. Vielleicht ahnten sie, was sie dort erwartete. Der 69-jährige Emanuel Schömann starb noch auf der Fahrt dorthin im Güterwagon. Seine Frau wurde am 16. Mai 1944, im Alter von 64 Jahren von Theresienstadt ins Vernichtungslager nach Auschwitz deportiert; das ist das letzte, was wir von ihr wissen.

Text & Recherche: Jupp Klegraf, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Nord, Mai 2009