Familie Steiner
Clarisse Steiner, Im Sonnigen Winkel 15
Emma Maas geb. Steiner, Kienestr. 39
Dr. Viktor Steiner und Johanna Steiner, Ecke Schloßstr. 27
Emma Maas geb. Steiner und ihre Schwester Clarisse Steiner geb. Steiner wurden 1865 bzw. 1867 in Laupheim bei Ulm als einzige Kinder von Hermann und Hannchen Steiner geboren. Der Vater war Bankier und ein Vetter von Kilian Steiner, dem späteren Gründer der Württembergischen Vereinsbank. Wie viele andere jüdische Familien zog es auch Familie Steiner nach Stuttgart, in die Stadt.
Vermutlich gingen die Mädchen in das Katharinenstift; die "Prieserei", ein daran angeschlossenes Seminar zur Lehrerinnenausbildung, taucht in den Familiengeschichten auf. Allerdings war man damals als Tochter aus gutem Hause auf Heirat hin erzogen.
Emma heiratet nach Mannheim, sie und ihr Mann Heinrich Maas bekommen zwei Söhne. Franz wurde 1893 geboren, Rudi, der jüngere, ging später auf das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Nach dem frühen Tod des Vaters war die Mutter nach Stuttgart zurückgekehrt, wo sie ab 1908 als Bankdirektorswitwe im Adressbuch erscheint. Beide Söhne zogen 1914 in den Krieg, Rudi fiel gleich zu Beginn mit 17 Jahren.
Clarisse heiratet mit 19 Jahren den Rechtsanwalt Dr. Hermann Steiner, einen entfernten Vetter. Zwischen 1887 und 1896 werden vier Töchter geboren, die wahrscheinlich alle die Rothertsche Höhere Mädchenschule am Herdweg besuchten. Clarisses Mann stirbt mit nur 50 Jahren, Kondolenzschreiben vom König und von Graf Zeppelin zeigen, in welchem Ansehen er stand. Die Briefe sind noch heute im Familienbesitz.
Die jüdische Religion spielte in der Familie keine wesentliche Rolle, der evangelische Glaube stand im Vordergrund. So heiraten auch die beiden mittleren Töchter Gertrud und Maja nicht-jüdische Männer.
Die älteste Tochter Johanna heiratet mit 20 Jahren ebenfalls einen Verwandten, den Arzt Dr. Viktor Steiner, in Stuttgart geboren und aufgewachsen, im Ersten Weltkrieg als Stabsarzt mit EK I und EK II dekoriert. Schon sein Vater war Stabsarzt gewesen. Ab 1912 bis 1938 ist die Wohnung und Praxis in der Schloßstr. 27. Tochter Dora geht ins Königin- Katharinen- Stift und studiert Chemie an der TH Stuttgart, wo sie Ende 1934 Ihre Dissertation einreicht. Das Hitlerregime zwingt sie 1935 ins Exil nach England.
Lili, die jüngste Tochter, schickt 1939 von München aus ihre 13-jährigen Zwillinge mit einem "Kindertransport" nach England. Die schottische Pflegefamilie erreicht, dass auch die Mutter und der ältere Bruder der Zwillinge - der Vater war bereits verstorben - noch kurz vor Kriegsbeginn nach Großbritannien ausreisen können.
Emma Maas, Clarisse Steiner, Tochter Johanna und Schwiegersohn Viktor werden im Februar 1942 zunächst nach Dellmensingen bei Ulm "umgesiedelt". Der 75. Geburtstag Clarisses wird dort noch mit Verwandtenbesuch gefeiert. Am 22. August kommen alle mit etwa 1000 vorwiegend alten Menschen von Stuttgart aus nach Theresienstadt. Am 4. Oktober stirbt Emma Maas dort an Typhus. Am 12. Januar 1944 wird Tochter Gertrud ebenfalls nach Theresienstadt verschleppt.
Johanna und Viktor Steiner werden am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Noch im Februar 1945 kommt Emmas Sohn Franz mit einem der letzten Transporte nach Theresienstadt.
Clarisse, Tochter Gertrud und Neffe Franz erleben den 8. Mai. Als im Juni von Stuttgart aus ein Bus eintrifft, den Gertruds Sohn Fritz mit organisiert hatte, um die Überlebenden in die Heimat zurückzuholen, ist die Großmutter jedoch schon nicht mehr transportfähig. Sie stirbt am 8. August 1945 im Krankenhaus von Leitmeritz, wenige Kilometer von Theresienstadt entfernt.
Text & Recherche: Susanne Bouché, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Nord, Mai 2009
Quellen: Archiv der Stadt Stuttgart, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Staatsarchiv Ludwigsburg, ausführliche Korrespondenz und Gespräche mit Familienangehörigen in Deutschland, Schweiz und England.
Fotos aus Privatbesitz.
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
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StolperKunst belebt Erinnerung
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Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
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Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
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Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
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Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
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heraus-gegeben von Margot Weiß
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Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
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Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
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Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
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Hermine Wertheimer
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