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Helene Nördlinger, Hölderlinstr. 7

Nördlinger Helene RadierungHelene Nördlinger, geb. Schlüchterer kam 1862 in Zeitlofs/Franken als erstes Kind und einzige Tochter von August Schlüchterer und seiner Frau Jeanette geb. Gerst zur Welt.
1865 übersiedelte die Familie nach Stuttgart, wo der Vater mit zwei Brüdern eine Herrenkleidermanufaktur betrieb.
Die Geschäfte liefen gut, Helene und ihre Brüder hatten eine schöne Kindheit und Jugend.  Sie selbst ging auf das 1873 gegründete Evangelische Töchterinstitut, das heutige Mörikegymnasium, was für Mädchen damals keine Selbstverständlichkeit war.  Auch nach Abschluss der Schule nahm sie noch Unterricht in Klavier, Gesang und Fremdsprachen.
Mit 20 Jahren heiratete sie Sigmund Nördlinger, der in das Weisswarengeschäft seiner Eltern eintrat.  1884 und 1890 wurden die Töchter Olga und Alice geboren.  Auch sie erhielten eine optimale Schulausbildung und durften an allem teilnehmen, was Stuttgart an Kulturellem zu bieten hatte. 
Nördlinger Helene Hölderlinstr. 7Olga heiratete sehr jung den Lederhändler Max Mayer, bald sind auch Enkel da.  Alice studiert nach der Schule Medizin und heiratet 1921 den Maler Reinhold Nägele.  Drei weitere Enkelsöhne kommen hinzu. 
Nach dem Tod ihres Mannes 1928 zieht Helene Nördlinger von ihrer langjährigen Wohnung in der Nr. 26 schräg gegenüber ins Haus Hölderlinstraße 7, wo sie sich im Altersheim der Veronika – Schwestern viele Jahre sehr wohl fühlt.
Der – allerdings zwangsweise – Umzug 1939 in das Jüdische Altersheim in der Heidehofstraße 9 bot zunächst ein scheinbar gesichertes Dasein.
Während der Flucht der Töchter über die Schweiz bzw. über England in die USA brach der Kontakt zur Mutter zeitweise ab.  Dann jedoch wurde aus den Briefen aus Stuttgart deutlich, wie sehr sich die Lage in der Heidehofstraße verschlechtert hatte.  Das amerikanische Visum für die Mutter traf schließlich einen Tag vor Pearl Harbor bei den Töchtern ein – durch den Kriegseintritt der USA viel zu spät.
Nördlinger Helene  GedenksteinHelene Nördlinger war jetzt 80 Jahre alt.
Vom  “Altersheim”  Eschenau, der nächsten Station auf ihrem Leidensweg, schreibt sie am  15. August 1942  auf ihrer letzten Postkarte, das Heim werde  “in den nächsten Tagen von hier weg verlegt”,  wohin weiß sie nicht.
Am 22. August 1942 werden alle Bewohner nach Theresienstadt deportiert.  Helene Nördlinger wird am 29. September ins Vernichtungslager Maly Trostinec verschleppt.  Unklar bleibt, ob sie schon auf dem Weg dorthin ermordet wurde.

Recherche & Text: Susanne Bouché, Initiativkreis Stuttgart-Nord, März 2008

Nördlinger Helene Thomas Nägele