Otto und Else Thalmessinger, Luise Henle
Der Rechtsanwalt Otto Thalmessinger, geb. 1872, wuchs in Ulm als eines von acht Kindern des Bankiers Nathan Thalmessinger und seiner Frau Jette geb. Steiner auf. Der Vater wurde 1877 in den Ulmer Bürgerausschuss gewählt, ab 1890 ist er Beirat der Ulmer Industrie- und Handelskammer. Die Vorfahren der Mutter tauchen als Groß- und Einzelhändler für Baumwolle und Landprodukte in den Ulmer Annalen auf.
Otto Thalmessinger wird 1899 als Anwalt in Stuttgart zugelassen. Zu seinem bedeutenden Anwaltsbüro, Marstallstraße 2, gehören seit 1922 zwei weitere Kollegen, Dr. Max Strauss und Dr. Mandry, und ab 1927 der Sohn Kurt Thalmessinger (geb. 1902 in Stuttgart). Spätestens ab 1911 wohnte die Familie - Tochter Marie Elisa wurde 1903 geboren - in der Lenzhalde 42.
Auch Else Thalmessinger geb. Henle (geb. 1879) stammt aus einer renommierten Ulmer Familie, die als Textilgroß- und Einzelhändler verzeichnet ist.
Ab spätestens 1923 wohnen die Eltern von Else Thalmessinger ebenfalls in der Lenzhalde 42. Der Vater, Eduard Henle, verstirbt 1934 in Stuttgart. Die Mutter, Luise Henle (geb. 1857 in Ulm), lebt weiterhin bei Tochter und Schwiegersohn.
Über die Anwaltstätigkeit des Büros Thalmessinger ist nur wenig überliefert, da viele Archivbestände durch den Krieg verloren gingen. Es ist nur bekannt, dass das Wirtschaftsrecht im Vordergrund stand.
Ab 1933 war die Familie Thalmessinger sämtlichen Schikanen ausgesetzt, die das Naziregime sich Schritt für Schritt für diejenigen ausdachte, die es zu Juden erklärte. Otto Thalmessinger wird zum 1. Oktober 1933 das Notariat entzogen, das er erst im Februar des Vorjahres erhalten hatte. Vermutlich 1938 verlor er auch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Kinder, Nichten und Neffen fliehen in dieser Zeit vielfach ins Ausland, der Sohn nach Frankreich, die Tochter nach England, andere in die USA.
Im Februar 1942 werden das Ehepaar Thalmessinger und Luise Henle nach Buchau zwangsevakuiert, wo sie in einem sog. Judenhaus neben der Synagoge mit vielen anderen Leidensgenossen zusammengepfercht wohnen. Otto Thalmessinger erfährt im Juli von der bevorstehenden Deportation und nimmt sich am 21. Juli das Leben. Else Thalmessinger und ihre Mutter werden am 22. August 1942 vom Nordbahnhof aus nach Theresienstadt deportiert. Hier treffen sie auch eine Schwester von Otto, Rosa Hecht, und deren Mann, Dr. Ludwig Hecht, die sich mit weiteren Ulmer Juden dem Deportationszug ab Stuttgart anschließen müssen. Else Thalmessinger stirbt bereits am 10. September, ihre Mutter laut Lagerkarte am 13.12.1942. Sie ist 85 Jahre alt. Auch Rosa und Ludwig Hecht kehren nicht zurück.
Anmerkung zum Foto 1939: v. li.: Hermann und Else Thalmessinger, Otto Thalmessinger, Luise Henle, Rosa und Paul Hecht.
Recherche und Text: Initiativkreis Stolpersteine für Stuttgart-Nord, Susanne Bouché und Josef Wiest, 2006/2014.
Quellen: Archiv der Stadt Stuttgart, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Staatsarchiv Ludwigsburg. Vielfältige Zeugnisse und Fotos sowie persönliche Mitteilungen von Familienmitgliedern, meist aus England.
ZEITGENOSSE DEMNIG
Für die SWR-2-Reihe "Zeitgenossen" hat Andreas Langen mit Gunter Demnig, Erfinder der Stolpersteine, gesprochen...
Podcast "gedenkworte" Akademie für gesprochenes Wort - Uta-Kutter- Stiftung und Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
Das Sprecherensemble der Akademie für gesprochenes Wort spricht die Geschichte der Personen hinter den Stoplersteinen. Ein gemeinsames Projekt der Akademie für gesprochenes Wort und der Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
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Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter