Zum Schicksal von Maria Gresser im Kaisemer 16
Maria Gresser wurde am 15.04.1898 als erstes Kind ihrer Eltern, Mina und Benedikt Gresser, in Stuttgart geboren. Ihre Mutter Mina, eine geborene Breitweg, geboren 1871, ist zum Zeitpunkt der Geburt 27 Jahre alt. Der Vater, Benedikt Gresser, geboren 1869, ist 29 Jahre alt und bei der Post beschäftigt. Sie wohnen im damals sog. Postdörfle. Sie haben 1897 geheiratet. Die Adressbücher der Stadt Stuttgart der Jahre 1919 bis 1926 belegen, dass die Familie Gresser in der damaligen Bahnhofstraße 55 im ersten Obergeschoss wohnte. Dieses Gebäude gehört zur inneren Bebauung des Postdörfle und wurde im Krieg vollständig zerstört. Die Pläne des Baurechtsamts zeigen, dass die Häuser im unteren Abschnitt der Straße Im Kaisemer zur Bahnhofstraße zählten. Die Bahnhofstraße wurde in Heilbronner Straße umbenannt. Somit steht das Haus Im Kaisemer 16 an der Stelle des Hauses Bahnhofstraße 55.
Im Staatsarchiv Ludwigsburg liegen die Patientenblätter der Heilanstalten von 1834 bis 1950 aus. Im Aufnahmebuch 42/77 ist ersichtlich, dass Maria Gresser am 14.05.1919 zum ersten Mal in die Heilanstalt Winnental eingewiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt ist Maria 21 Jahre alt. Unter der Rubrik Krankheitsdauer ist eingetragen: seit November 1918. In breiter Sütterlinschrift angegeben ist dort ihr Beruf als „Hilfsarbeiterin“, ihr Glaubensbekenntnis als „katholisch“ und ihr Familienstand als „ledig“. Ihr Körpergewicht wird mit 51 kg, ihre Körpergröße mit 1,6 Meter dokumentiert. Die Augenfarbe wird mit blass, die Haarfarbe mit hellblond und die Hautfarbe mit blass angegeben. In diesem Aufnahmeblatt fallen andere Schreibschriften auf. Die Diagnose wurde mit moderner Schreibschrift eingetragen. In der Rubrik „Austritt den …“ finden wir die Unterteilungen „geheilt – gebessert - ungeheilt - tot“. Unter „tot“ ist mit blauer Sütterlinschrift eingetragen 30.05.1940. Es ist davon auszugehen, dass das genannte Todesdatum nicht dem tatsächlichen Datum ihres Todes entspricht. Damit die übereinstimmenden Todesdaten der Euthanasieopfer nicht den Hinterbliebenen auffielen, wurde sowohl der Grund als auch des Datum des Ablebens von den Tätern gefälscht. Unregelmäßigkeiten und Widersprüche in den Akten lassen keinen anderen Schluss zu. Dies bestätigt auch eine Eintragung im Familienbuch der Gressers, dort findet sich in Marias Zeile ein handschriftlich eingetragenes Kreuz mit der Eintragung „16.06.1940 in Grafeneck“.
Die Familien der Euthanasie-Opfer wurden durch ein kurzes amtliches Formular über den angeblichen Tod und die bereits erfolgte Feuerbestattung unterrichtet. Von Marias Familie wissen wir nur wenig Ihr Vater starb am 11.02.1947 als Postsekretär a.D. und ihre Mutter am 11.05.1951 in Stuttgart-Wangen. Zu ergänzen ist, dass die Gressers ein weiteres Kind hatten, dessen genauere Daten aufgrund der geltenden Gesetze durch das Stadtarchiv nicht mitgeteilt wurden. Von dieser Person hatten wir uns weitere Informationen erwartet.
Text&Recherche: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Nord
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