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Karl Wieland, Grünblickstraße 1

Karl Wieland (ev.) wurde am 27. November 1871 in Gärtnershof, Gemeinde Kirchenkirnberg geboren. Sein Vater war Holzhauer. Nach dem Schulbesuch arbeitete er bei Bauern in seiner Heimatgemeinde. Er hatte neun Geschwister, von denen aber keines mehr lebte. In Stuttgart arbeitete er als Hilfsarbeiter im Schlachthof. Karl Wieland war zweimal verheiratet. Aus seiner ersten Ehe stammten zwei Kinder, aus der zweiten Ehe ein Kind. Karl Wieland war ein guter Familienvater. Doch Lina, seine zweite Ehefrau, musste ebenfalls arbeiten, um das Auskommen der Familie zu sichern.

Anfang der Dreißiger Jahre begannen sich bei ihm psychische Veränderungen zu zeigen. Im Juli 1932 wurde er deshalb in den Ruhestand versetzt. Im Dezember 1933 wurde er in die psychiatrische Abteilung des Bürgerhospitals eingewiesen. Auf Grund des Krankheitsverlaufs  – “Es handelt sich bei W. um eine präsenile Psychose und Demenz, ohne Aussicht auf Besserung” –  empfahl das Bürgerhospital die Verlegung in eine Heil- und Pflegeanstalt. Mit Einverständnis der Ehefrau wurde Karl Wieland am 6. Februar 1934 in die staatliche Heilanstalt Weißenau bei Ravensburg überwiesen. Hier blieb er sechs Jahre lang.

In dieser Zeit änderte sich die Lage der psychisch Kranken in Deutschland dramatisch. Nach der nationalsozialistischen Medizinethik verdienten Langzeitkranke keine ärztliche Behandlung und waren auszumerzen. Die Propaganda der Regierung diffamierte die Kranken als “unnütze Esser” und “Ballastexistenzen”. Die Schulen ließen die Kinder ausrechnen, wieviele Familienwohnungen man bauen könnte, wenn es die Kranken in den Heilanstalten nicht mehr gäbe. Im Sommer 1939 plante die Reichsregierung ihren ersten Massenmord an der eigenen Bevölkerung: 70.000 Patienten der deutschen Heilanstalten waren zu beseitigen, um für den nächsten Krieg Lazarettbetten und Personal freizusetzen. Nach der Adresse der Organisationszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 erhielt das Vorhaben den Tarnnamen “Aktion T4”. In enger Zusammenarbeit der Regierungen in Berlin, Stuttgart und Karlsruhe wurde für den Südwesten in Grafeneck auf der Münsinger Alb eine Tötungsanstalt eingerichtet. Sie bestand nur aus Gaskammer, Krematorium und Standesamt. Von Februar bis Dezember 1940 wurden dort 10.654 Menschen getötet.
Die Anstaltsleitung der Weißenau hatte auch Karl Wieland auf die Liste der Todeskandidaten gesetzt. Am 27. Mai 1940 fuhr der Graue Bus der “Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft” vor und brachte Karl Wieland zusammen mit weiteren ausgewählten Patienten nach Grafeneck. Alle wurden noch am Tag ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet.

Der Stolperstein für Karl Wieland wurde am 15. September 2015 verlegt.
Er trägt folgende Inschrift:
    HIER WOHNTE
    KARL WIELAND
    JG. 1871
    EINGEWIESEN 1934
    HEILANSTALT WEISSENAU
    ‘VERLEGT’ 27.5.1940
    GRAFENECK
    ERMORDET 27.5.1940
    AKTION T4

Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost