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Lea und Ignatz Lentschner, Rotebühlplatz 37

Isaak genannt Ignatz Lentschner wurde am 05.11.1873 in Berditschew /Russland geboren, sein Todeszeitpunkt wurde nach gesetzlicher Vermutung auf den 08.05.1945 festgelegt.

Lea, geborene Sklarek, Lentschner wurde am 31.12.1881 in Jutraschin/Provinz Posen geboren, ihr Todeszeitpunkt wurde nach gesetzlicher Vermutung auf den 08.05.1945 festgelegt.

Dr. jur. Richard Lentschner wurde  am 05.12.1903 in Stuttgart geboren, er war bis 1933 Rechtsanwalt in Leipzig und wanderte nach dem Verbot der Berufsausübung  1938 von dort nach den USA aus. Er starb 1987 in Boston. 

Walter Lentschner wurde am 13.09.1906 in Stuttgart geboren. Bis zu seiner Emigration im Jahr 1933 war er Geschäftsführer in der Möbelhandlung des Vaters. Später, wie seine Nichte Laura(Lea) uns mitteilt, „Walter was interned at Camp des Milles in France as an undesirable (he was both Jewish and political dissident) from 29 December until his release on 7 March 1941. Soon after, he was able to immigrate to the United States.“

Ignatz Lentschner war seit 1904 als Kaufmann und Fabrikant mehrerer Firmen in Stuttgart erfolgreich tätig. So war er 1904 Inhaber der Firma H. Philipp in der Johannesstraße 64, später Silberburgstraße 26 und Gymnasiumstraße 8. 1905 übernahm er die Firma Niethammer mit Sitz und Wohnung in der Rotebühlstraße 41. 

Walter beschreibt im Entschädigungsantrag: “In dem Geschäft waren drei Schreiner, 3-4 Polsterer, ein Maler, ein Chauffeur, zwei Sekretärinnen, ein Hauptbuchhalter und drei Verkäufer beschäftigt. Mein Vater hatte ferner einen Lieferwagen und ein privates Auto. Vor der Boykott-Zeit und unter normalen Bedingungen hatte das Geschäft nach meiner besten Erinnerung mindestens einen Umsatz von 250.000,00 Mark im Jahr und arbeitete mit einem Reinverdienst von 10%. Wir verkauften Möbel und Einrichtungsgegenstände auf Abzahlung und gegen bar. Das Geschäft ging im Jahre 1932 schon zurück und wurde im Jahr 1933 nach dem Boykott fast zugrunde gerichtet und mein Vater musste Ende des Jahres 1933 das Geschäft aufgaben. Er hat vom Jahre 1934 ab kein Berufseinkommen mehr gehabt.

1936 erfolgte vermutlich ein erzwungener Umzug des Ehepaars Lentschner und der Firma Niethammer in die Neckarstraße 61. Das dortige Erdgeschoß mussten sich Ignatz und Lea Lentschner, das Möbelgeschäft, ein Jurist und eine Kunstmalerin samt Werkstatt teilen.
Das weitere Schicksal des Ehepaars müssen wir den Entschädigungsakten entnehmen.
Im Bescheid für die Mutter ist zu lesen:
„Entschädigung wegen Schadens an Freiheit für die Zeit vom 01.12.1939 bis 08.05.1945. Der Entschädigungsantrag ist in dem zuerkannten Umfang begründet.

Begründung: Die Erblasserin war Jüdin. Sie wurde am 30.12.1881 in Jutroschin KRS Rawitz geboren. Zuletzt war sie in Stuttgart wohnhaft. Sie wurde als polnische Staatsbürgerin nach Polen abgeschoben und wohnte seitdem in Lodz. Ab 1.12.1939 musste sie den Judenstern tragen. Sie trug ihn bis zur Einweisung in das Ghetto Lodz welches seit dem 1.4.1940 bestand. Seitdem ist sie verschollen. Sie wurde auf 8.5.1945 für tot erklärt. … 
Es besteht ein Entschädigungsanspruch wegen Freiheitsbeschränkung gemäß    § 47 BEG für die Zeit vom 1.12.1939 bis 1.5.1940, in welcher sie den Judenstern getragen hat. Für die Zeit vom 1.5.1940 bis 26.1.1945, in welcher ihr die Freiheit entzogen war, besteht gemäß § 43 BEG ein Entschädigungsanspruch. Nach §§ 45,48 BEG beträgt die Entschädigung 150 DM für jeden vollen Monat der Freiheitsentziehung oder Freiheitsbeschränkung.“
Für den Vater Ignatz Lentschner wurde zusätzlich zur Entschädigung wegen Freiheitsberaubung eine Entschädigung wegen Schaden im beruflichen Fortkommen festgestellt:
„……Es wird eine Entschädigung für den Schaden beantragt, den der Erblasser (Ignatz Letschner) seit 1933 bis zu seinem Tode in seinem beruflichen Fortkommen als Möbelhändler erlitten hat. Entschädigungszeitraum 1.4.1933 bis 8.5.1945  = 12 Jahre und 1 voller Monat. Es wird für festgestellt erachtet, daß der Verfolgte in der Zeit vom 1.4.1933 bis 31.3.1937 = 4 Jahre in der Ausübung seiner Erwerbstätigkeit wesentlich beschränkt war.
Kapitalentschädigung für 4 Jahre: 1.243,20 DM.
Kapitalentschädigung für Verdrängung vom 1.4.1937 bis 8.5.1945 = 8 Jahre und ein voller Monat: 5.024,60 DM.
Zusammen: 6.267,80 DM

Text & Recherche: Stolperstein-Initiative S-Mitte, Andreas Langen & Jennifer Lauxmann-Stöhr