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Gustav und Johanna Silberstein, Dornhaldenstr. 19

Johanna und Gustav Silberstein (um 1939)

Gustav Silberstein wurde am. 27. Januar 1893 in Lukow/Polen geboren. Er war von Beruf Schneider und in der Untergrundbewegung. Seine Frau Johanna Silberstein (geb. Stiefel) kam am 25. Januar 1895 in Menzingen/Baden zur Welt. Von 1917 bis 1939 oder 1940 lebte das Ehepaar mit den vier Söhnen in der Dornhaldenstr. 19. 1940 – im Zuge des „Gesetzes über Mietverhältnisse mit Juden“ wurden sie gezwungen, in ein sog. „Judenhaus“/Ghettohaus in der Sophienstraße 33/2 (damals Ernst-Weinstein-Straße) zu ziehen.

Nachdem ihr Mietvertrag gekündigt und ihre Wohnung einige Jahre später, im April 1942, beschlagnahmt worden war, mussten sie in eine bescheidenere Unterkunft in Haigerloch umziehen, wo sie zweieinhalb Monate lebten. Danach wurden sie nach Stuttgart zurückbeordert und am 13. Juli 1942 nach Theresienstadt und schließlich nach Auschwitz deportiert, wo sie 1942 in der Gaskammer ermordet wurden.

Von links nach rechts: Die Söhne Kurt, Robert, Leo und Alfred Silberstein um 1936 (das letzte Foto vor der Trennung für 36 Jahre)

Die Geschichten der vier Söhne von Gustav und Johanna Silberstein, die schließlich aus Deutschland nach Israel (damals Palästina) oder in die USA emigrieren konnten, sind wie folgt:

Von den Söhnen erhielten wir die folgenden Fotos und Informationen:

Robert Silberstein wurde 1933 von der Höheren Handelsschule verwiesen und begann eine Lehre in der Landwirtschaft, aber 1936 hatte er genug von der Diskriminierung und emigrierte nach Israel (Palästina), weil er in einem jüdischen Staat leben wollte, in dem er überleben konnte.

Auch Leo (Silverton) musste Stuttgart 1936 verlassen. Er hatte seinem Vater in der Untergrundbewegung/im Widerstand geholfen, seine Schriften abgetippt und verteilt. 1936 wurden beide entdeckt. “The handwriting was on the wall.“ Verwandte in den USA besorgten ein Visum und Papiere für Leo, so dass er flüchten konnte. Schließlich ließ er sich in Connecticut nieder. Ein Jahr später holte er zuerst seinen Bruder Kurt (Silvon) nach Amerika, der später in Oregon lebte. 1939 folgte dann Alfred.

Alfred (Silverton), der aufgrund seiner polnischen Vorfahren väterlicherseits einen Abschiebebefehl erhalten hatte, wurde im Oktober 1938 von der Sicherheitspolizei festgenommen und am nächsten Tag in die Grenzstadt Zbaszyn, Polen, deportiert. Nach etwa sechs Monaten konnte er im April 1939 schließlich über Warschau, Brüssel und Antwerpen in die Vereinigten Staaten ausreisen, wo er auf ein Schiff nach Amerika ging. Er zog zuerst nach Milwaukee, Wisconsin, dann – nachdem er sich eingeschrieben und im Zweiten Weltkrieg im US-Militär gedient hatte -, ließ er sich in Kalifornien nieder.

Die Brüder wollten auch die Eltern nach Amerika holen. 1939 hatten sie die Papiere dafür bereit und nach Deutschland gesandt. Dann begann der Krieg, die Papiere kamen zurück, die Eltern wurden nach Auschwitz deportiert und dort 1942 ermordet.

Im Uhrzeigersinn von unten: Alfred Silverton, Robert Silberstein, Leo Silverton und Kurt Silvon. Fotografiert bei einem Familientreffen der vier Brüder nach 36 Jahren Trennung – in Kurts Haus in Portland, Oregon, August 1972.

Wiedersehenstreffen in Stuttgart auf Einladung von Manfred Rommel (Stuttgarter Oberbürgermeister von 1974 bis 1996). Von links nach rechts: Leo Silverton, Alfred Silverton, Robert Silberstein und Kurt Silvon ganz rechts. Walter Mann (vierter von links), der als Vertreter der Stadt das Wiedersehenstreffen (nach 50 Jahren) der Silberstein-Brüder und vieler anderer überlebender ehemaliger jüdischer Einwohner Stuttgarts im Jahr 1989 organisiert hat. Mann war ein sozialdemokratischer Gemeinderat und Vorsitzender des Heslacher Waldheims (dort fand das Treffen 1989 statt).

Im März 2005 wurden in der Dornhaldenstraße 19 Stolpersteine für Gustav und Johanna Silberstein verlegt.

Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Süd; die Informationen und Fotos für diesen Text wurden von den Söhnen und der Enkelin von Gustav und Johanna Silberstein bereitgestellt.