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Clara, Lilli und Paula Straus, Gablenberger Hauptstr. 173

Clara Straus, geb. Levi 
15. Januar 1870 Stuttgart – 10. November 1944 Theresienstadt 
Lilli Straus 
24. März 1892 Stuttgart – März 1981 New York 
Paula Straus 
31. Januar 1894 Stuttgart – 10. Februar 1943 Auschwitz 

Clara Straus wurde am 15. Januar 1870 als Clara Levi in Stuttgart geboren. Ihr Vater Moses Hirsch Levi stammte aus Freudenthal, ihre Mutter Sofie Levi, geb. Amson aus Creglingen.

Clara heiratete Leon Straus aus Ditlofsroda und bekam mit ihm in Stuttgart drei Mädchen: 1892 Lilli, 1894 Paula und 1895 Sofie, die bereits 1916 starb. Leon Straus starb 1925 in Stuttgart. – Claras Schwester Emma Levi (Jg. 1871) heiratete Benni Tannenbaum (Jg. 1860) aus Fulda, der 1916 in Mannheim starb. Sohn Herbert Tannenbaum (1892 Mannheim – 1952 Frankfurt) finanzierte später die Auswanderung seiner Cousine Lilli Straus in die USA.

Clara Straus lebte zunächst mit ihrer Familie in einer großen Wohnung in der Kornbergstr. 56 in Stuttgart-West unweit des Hölderlinplatzes. 1933 zogen sie um in eine Etagenwohnung in die Ehrenhalde 29. Diese Wohnung gaben sie wegen rassistischer Belästigungen auf. Paula und Lilli Straus kauften das heute noch existierende Haus in der Gablenberger Hauptstr. 173 – den letzten frei gewählten Wohnort der Familie, bevor Clara Straus mit ihrer Tochter Paula in das nur von jüdischen Menschen bewohnte Haus Werfmershalde 12 im Stuttgarter Osten umziehen mussten. Ende 1940 wurde Clara Straus nach Buttenhausen im Lautertal, dann im Mai 1941 nach Haigerloch und am 23. August 1942 nach Theresienstadt deportiert – zusammen mit ihrer Tochter Paula auf dem Transport XIII/I.

Clara Straus musste erleben, wie ihre Tochter Paula am 22. August 1942 nach Auschwitz deportiert wurde, wo sie am 10. Februar 1943 ermordet wurde. Clara Straus starb am 10. November 1944 im Alter von 74 Jahren an den menschenunwürdigen Verhältnissen in Theresienstadt.

Die Schwestern Lilli Straus und Paula Straus hatten einen Altersunterschied von nur 20 Monaten. Lilli Straus war 1926 bis 1938 kaufmännische Angestellte und Prokuristin bei Schoko-Buck in der Ostendstr. 88 in Stuttgart. Mit dem Hauptgesellschafter und Geschäftsführer Karl Truchsess war sie befreundet. Nachdem im Dezember 1937die NS-Zeitung „Flammenzeichen“ einen Artikel veröffentlichte, in dem stand: „Wir hören (…) dass die Schokoladenfirma BUCK in Ostheim die Jüdin Strauß (sic) noch in leitender Stellung ist. – Damit zieht sich die Firma durch ihren eigenen Kakao“, bat Schoko-Buck unter dem Druck der Nazis 1938 Lilli Straus um Kündigung und versprach ihr eine lebenslange Pension. Die Vorbereitungen zur Flucht aus Deutschland wurden getroffen, Das Haus, das den Straus-Schwestern je zur Hälfte gehörte, wurde unter Wert an Schoko-Buck verkauft. 1951 wurde es zurückgegeben.

1939 musste Lilli Straus an das Finanzamt Stuttgart-Ost 3900 RM „Judenvermögensabgabe“, 800 RM „Reichsfluchtsteuer“ und 900 RM für die „Freigabe des Auswandererguts“ zahlen. Lilli Straus gelang am 15.10.1939 Flucht in die USA mit dem Dampfer Rotterdam der Holland-Amerika-Linie. Die Kosten in Höhe von Lt. 166 $ streckte ihr Cousin Herbert Tannenbaum vor. – Es gelang ihr nicht mehr, die Mutter und die Schwester nachzuholen. In wirtschaftlicher Not lebte sie zunächst als Diätassistentin in New York, wo sie im März 1981 starb.

Paula Straus – 1939 gezeichnet von dem mit ihr befreundeten Stuttgarter Maler Reinhold Nägele (Jg. 1884), der 1937 Arbeitsverbot erhalten hatte, weil seine Frau Jüdin war; 1939 emigrierte er mit seiner Frau und den drei Söhnen in die USA.

Mit der Ermordung von Paula Straus verlor Deutschland eine seiner kreativsten Silber- und Goldschmiedinnen und die erste Industriedesignerin.

Die am 31. Januar 1894 in Stuttgart geborene Paula Straus war Mitglied der Wandervogel-Bewegung. 1911 bis 1961 erlernte sie die Goldschmiedekunst an der Staatlichen Höheren Kunstgewerbe- und Fachschule für Edelmetallindustrie in Schwäbisch Gmünd. Nach der Gesellenzeit in Frankfurt 1916 bis 1919 wurde sie an der Württ. Kunstgewerbeschule am Stuttgarter Weißenhof Meisterschülerin von Paul Haustein. 1921 legte sie ihre Meisterprüfung ab. 1924 zeigte die Werkbund-Ausstellung „Die Form“ einige ihrer Arbeiten. Zahlreiche Ausstellungen von Mannheim über Kassel, Barcelona, Paris folgten – teilweise auf Vermittlung ihres Cousins, des Kunsthändlers Herbert Tannenbaum.

1925 bis 1933 arbeitete Paula Straus für die Heilbronner Silberschmiede Bruckmann, die ihr am 31.1.1933 schweren Herzens kündigte. Nach kurzer Zeit der selbstständigen Arbeit in der Azenbergstraße arbeitete Paula für die WMF in Geislingen, die sie aber noch im selben Jahr als Jüdin entließ. Ihr Versuch, in die Niederlande zu emigrieren scheiterte.

Seit 1.1.1939 mit Arbeitsverbot belegt, musste Paula Straus mit ihrer Mutter in das „Ghettohaus“ Werfmershalde 12 umziehen, bevor sie zum Arbeitseinsatz im jüdischen Altersheim Herrlingen verpflichtet wurde. Im Mai 1941 wurde sie dann als Lehrerin in einem Heim in Haigerloch eingesetzt.

Der Abschiedsbrief von Paula Straus vom 8. April 1942 aus Haigerloch beweist, dass es den jüdischen Menschen durchaus bewusst war, dass die Deportation „in den Osten“ vermutlich der Weg in den Tod bedeutete.

Mit dem ersten Transport am 22. August 1942 wurde Paula Straus von Stuttgart aus zunächst nach Theresienstadt deportiert – im selben Transport wie ihre Mutter. Am 29. Januar 1943 wurde Paula ins KZ Auschwitz verbracht, wo man die 49-Jährige evtl. an der Rampe noch zur Arbeit brauchbar einschätzte. Sie wurde nicht unmittelbar nach ihrer Ankunft, sondern zwei Wochen später, am 10. Februar 1943 in einer Gaskammer in Auschwitz ermordet.

Gunter Demnig verlegte am 21. November 2025 Stolpersteine für Clara Straus und ihre Töchter Lilli Straus und Paula Straus. Diese wurden gespendet von Stephan Roth, Reinhard Weiss, Armin Kaiser und Stolperstein-Initiative Stuttgart-Nord.

Die Gemeinderatsfaktion SPD/VOLT hat im September 2025 den Antrag eingebracht, den neu entstehenden Platz am Stöckach nach Paula Straus zu benennen.

Recherche und Text: Projektgruppe:  Gudrun Greth, Walter Geisse, Sophie Heinig, Karl-Heinz Greth, Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost

Quellen:
Staatsarchiv Ludwigsburg: EL 350 I Bü 14732, EL 350 I Bü 14733, EL 350 I Bü 36425, EL 350 I Bü 36426, EL 350 I Bü 37884, EL 350I Bü28085, FL 300/33 I Bü 5190. FL 300/33 I Bü 5302, F 215 Bü 503, F 215 Bü 609.
Arolsen Archives, Holocaust Datenbank, Bundesgedenkbuch.
Auskunft gaben dankenswerterweise Evelyn Grill-Storck (1942 – 2024), Witwe des Straus-Angehörigen Hans-Joachim Storck und Bruckmann.
Grill-Storck, Evelyn: Der Nachlass. Salzburg/Wien: Residenz 2022.
Sänger, Monika (Hg.): Paula Straus. Vom Kunsthandwerk zum Industriedesign. Stuttgart: arnoldsche 2023.

Bildquellen:
Jüdisches Museum Berlin und Staatsarchiv Ludwigsburg F 215 Bü 503.