Nathan Neumann
Nathan Neumann wurde 1880 in Warschau geboren (als Nathan Nachmann Najmann).. 1912 zog er mit seiner Frau Esther Malka, geb. Frydmann und den noch in Warschau geborenen Kindern Sura, Berek und Moritz nach Stuttgart. Dort gebar ihm seine Frau 1913 und 1915 zwei weitere Töchter, Rosa Marie und Jenny. Die Familie wohnte zunächst in der Schwarenbergstr. 70, wenig später, ab 1916, durchgehend in der Hackstr. 7.
Nathan Neumann betrieb nacheinander an verschiedenen Orten in Stuttgart eine Schuhmacherwerkstatt, in Cannstatt in der Marktstr. 13 , in der Stadtmitte in der Eberhardstr. 17 und schließlich in der Hauptstätterstr. 154. Dort arbeiteten ab Mitte der 20-er Jahre auch Moritz und Berek mit, der sich jetzt Bernhard nannte. Sura, die älteste Tochter Nathans sammelte die reparaturbedürftigen Schuhe bei den Kunden ein trug sie nach der Reparatur wieder aus. 1931 wurde der Betrieb in der Hauptstätterstraße., die Schulbesohlanstalt ?Rekord?, verkauft, die Arbeit wurde in der Wohnung in der Hackstr. 7 fortgesetzt. Noch 1938 annoncierte Nathan Neumann sein Geschäft im Gemeindeblatt der israelitischen Gemeinde.
Der älteste Sohn Berek, der sich jetzt Bernhard nannte, arbeitete bis 1933 als Leiter der Rechtsabteilung der Firma BICO AG und vertrat zugleich die Firma SÜDAG mbh in allen Rechtsfragen. Gleich nach der Machtergreifung der Nazis wurde er verhaftet und ins KZ Kühberg bei Ulm eingeliefert. Er wird dort mißhandelt und leidet seither an Depressionen. Befreundete Anwälte setzen sich für ihn ein, erreichen seine Freilassung und verhelfen ihm und seiner Freundin zur Flucht in die Schweiz. Von dort aus unterstützt er die Flucht seier Geschwister und - kurz vor Kriegsbeginn - seiner Mutter. Moritz flieht über die Schweiz und Palästina nach Mexico. Marie kann 1937 mit einer Jugendgruppe nach Palästina auswandern. Sura bekommt eine Stelle als Haushaltshilfe in England unf lebt dort zehn Jahre. Auch Jenny kann nach Palästina fliehen. IDas in der Spedition Gerlach eingelagerte Umzugsgut der Familie wurde von der Oberfinanzdirektion beschlagnahmt. Warum allein Nathan Neumann in Stuttgart bleibt, ob er nicht fliehen konnte oder nicht wollte, bleibt unklar.
Am 28.10.1938 wurde Nathan Neumann wie fast alle Juden polnischer Staatsangehörigkeit nach Polen abgeschoben. Diese Aktion der Nazis veranlasste den 17-jährigen Herrmann Grünspan, dessen Familienangehörige unter den Deportierten waren, in Paris zu einem Attentat auf den Botschaftssekretär Ernst vom Rath, was den Nazis den Vorwand bot für das Pogrom am 9. und 10. November 1938. Der Schmuck, den die Neumanns im Safe der israelitischen Gemeinde deponiert hatten, (zunächst als Sicherheit für einen Kredit, dann aus Vorsicht), wurde wie der ganze Inhalt des Kassenschranks geplündert.
Nathan Neumanns Betrieb wurde geschlossen aus der Handwerksrolle gestrichen mit dem Löschungsvermerk ?Betrieb eingestellt, da Inhaber Jude".
Gleich nach dem deutschen Überfall auf Polen iwurde Nathan Neumann ins Ghetto Warschau eingewiesen. 1943 erhalten seine Angehörigen von ihm zum letzten Mal eine Nachricht. Dann verliert sich seine Spur. Sein Todesdatum wird nach dem Krieg auf den 8.5.1945 festgesetzt.
Am 11. November 2006 wurde für Nathan Neumann - auf dringenden Wunsch seiner in Israel lebenden Tochter Marie - vor dem Haus in der Hackstr. 7 ein Stolperstein verlegt.
Autor: Harald Stingele, Quellen dieses Beitrags: 1. Hinweise von Zeitzeugen, 2.Entschädigungsakten des Staatsarchivs Ludwigsburg, 3. Jüdisches Gemeindeblatt für Württmberg, Jg. 1938 (Württ. Landesbibliothek)
, Stand: 18.11.2006, Der Autor freut sich über weitere Hinweise zur Geschichte von Nathan Neumann und seiner Familie: haraldstingele@aol.comSTOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter