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Stolpersteine erinnern an Sinti-Kinder

Stuttgarter Zeitung vom 02.05.2006:

Stolpersteine erinnern an Sinti-Kinder 
Die Geschwister Kurz aus Bad Cannstatt wurden in Auschwitz-Birkenau ermordet

Zwischen acht Monate und vier Jahre waren die Sinti-Kinder alt, als ihren Eltern das Sorgerecht entzogen wurde. Im August 1944 wurden die Geschwister vergast. Seit Samstag erinnern Stolpersteine an ihren ehemaligen Wohnort in der Badergasse 6.

Von Frederike Poggel

168 Stolpersteine wurden bisher in Stuttgart verlegt. Und ein jedes dieser zehn auf zehn Zentimeter kleinen Denkmale erinnert an ein Schicksal, das von den Nationalsozialisten besiegelt wurde. Am Samstag wurden vor dem Haus in der Badergasse 6 vier der mit Messing beschlagenen Betonklötze in den Boden eingelassen. Es sind die ersten, die an ermordete Sinti und Roma erinnern. Die Inschriften weisen auf Otto, Sonja, Thomas und Albert Kurz hin, die bis Anfang 1939 in Bad Cannstatt lebten.

In Kleinstarbeit hat Stephan Janker, Diözesanarchivar aus Rottenburg, den Lebens- und Leidensweg der Familie rekonstruiert. “Weihnachten 1938 verbrachte die junge Familie Kurz hier ihre letzten gemeinsamen Wochen”, sagt er und deutet auf das Haus, das 1957 an der Stelle errichtet wurde, wo die Familie einst in ärmlichen Verhältnissen gehaust hat. Die Kinder seien hinuntergegangen zum Brunnen, um sich zu waschen. “Als Zigeuner, wie man sie damals nannte, bekamen sie kein Bein auf die Erde”, sagt Janker.

Noch vor Kriegsbeginn wurde den Eltern das Sorgerecht entzogen. Die Geschwister, der Jüngste war acht Monate alt, wurden Anfang 1939 zu Zöglingen der Landesfürsorgebehörde. “Die ganze Familie Kurz muss als völkisch minderwertig bezeichnet werden”, lautet ein Aktenvermerk aus jener Zeit. Die Kinder wurden unter anderem in der Josefspflege, einem katholischen Heim bei Künzelsau, untergebracht, wo Eva Justin von der “rassenhygienischen Forschungsstelle” ihre Doktorarbeit über die Minderwertigkeit von Zigeunern schrieb. Die Deportation der Sinti und Roma von der Internierungsanstalt nach Auschwitz war damals schon beschlossene Sache. Am 9. Mai 1944 wurden die Geschwister von dort nach Birkenau gebracht.

Am 2. August 1944 wurden in dem KZ fast 3000 Sinti und Roma ermordet – unter ihnen Otto, Sonja, Thomas und Albert Kurz.