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Gedenktafel für die Sintiza Friederike Reinhardt

Artikel aus der Filder-Zeitung vom 28.02.2008:

Drei Tage nach 17. Geburtstag in Auschwitz ermordet
Vaihinger Stolperstein-Initiative verlegt Gedenktafel für die Sintiza Friederike Reinhardt in Büsnau – Aufwendige und schwierige Spurensuche

 
Büsnau. Die Stolpersteine sollen die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wach halten. Zu diesen zählt auch Friederike Reinhardt. Sie gehörte der Volksgruppe der Sinti und Roma an und wurde 1943 ermordet. Bald erinnert eine Gedenktafel in Büsnau an ihr Schicksal.

Von Kai Müller

Mitte März verlegt der Kölner Künstler Gunter Demnig 68 weitere Stolpersteine in Stuttgart. Auch an der Büsnauer Straße 260 wird er am 14. März eine Gedenktafel aus Messing in den Boden einlassen. Sie ist für Friederike Reinhardt bestimmt, die im Alter von 17 Jahren den Nazis zum Opfer fiel.

Dass ihr Name nicht in Vergessenheit geriet, ist dem Stuttgarter Recherche-Netzwerk Sinti und Roma zu verdanken, das der Diözesanhistoriker Stephan M. Janker koordiniert. Die Gruppe ermittelte bislang 36 Sinti, die im Dritten Reich verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Dem Netzwerk gehört auch Karl-Horst Marquart an, der zugleich Mitglied der Initiative Stolperstein Vaihingen ist. Die Auswertung der Sterbebücher des Konzentrationslagers Auschwitz förderte den Namen Friederike Reinhardt und den Wohnort “Veigen a/d Wilder” zutage. Dies rief Marquart auf den Plan. Die Arbeiterin Frieda Reinhard, die identisch mit Friederike Reinhardt ist, starb laut Totenschein demnach im Februar 1943 im KZ Auschwitz an einer “Grippe bei Herzschwäche”. Unterschrieben hat den Totenschein Dr. Bruno Kitt, Chefarzt in Auschwitz – und 1946 als Kriegsverbrecher zum Tode verurteilt.

Im Stadtarchiv fand Marquart eine Notiz vom 16. Januar 1940. Aus dieser geht hervor, dass zu Bauarbeiten am Büsnauer Hof “60 Zigeuner” eingesetzt waren. Sie bauten Straßen für die geplante SA-Siedlung. Das städtische Gesundheitsamt monierte damals die fehlenden Aborte für die Arbeiter. Dass Angehörige der Sinti und Roma sich zu dieser Zeit in Vaihingen ansiedelten, davon hatte Marquart zuvor noch nie etwas gehört: “Das ist schon eine verrückte Geschichte.” Schließlich fand sich mit Hanna Schäfer aus Büsnau auch eine Zeitzeugin, die sich noch daran erinnern konnte, dass die Sinti und Roma in zwei Baracken untergebracht waren.

Die Siedlung wurde bereits 1938 an Stuttgart verkauft. Im Adressbuch für das Jahr 1941 sind für den Büsnauer Hof 39 Menschen verzeichnet, darunter neun Namen, wie sie bei den Sinti geläufig sind. Aufgeführt ist auch ein “Reinhardt J, Arbeiter”, Friederikes Vater. Er verdiente sich seinen Lebensunterhalt als Bauhilfsarbeiter, seine Frau Maria handelte mit Textilien. Sie hatten insgesamt sieben Kinder. “Über ihre Tochter Friederike haben wir nur einige spärliche Daten”, erklärt Marquart. Sie wurde am 4. Februar 1926 in Wachbach im Kreis Mergentheim geboren. Als die Familie 1941 in die “Zigeunersiedlung” auf dem Hallschlag in Bad Cannstatt zog, tat sie dies offensichtlich ohne Friederike. Deren Spur verliert sich bis zum 6. November 1942. Ihr Name findet sich als Eintrag im Ludwigsburger Gefangenenbuch. Daneben steht mit Rotstift “Zigeuner” geschrieben. Wegen eines Diebstahls kam sie für sechs Monate ins Gefängnis. “Was genau vorgefallen ist, wissen wir nicht”, sagt Marquart. Kurz vor Ablauf ihrer Haft wird Friederike Reinhardt am 8. Januar 1943 ins Konzentrationslager Auschwitz deportiert. Dort wird sie schließlich am 7. Februar – drei Tage nach ihrem 17. Geburtstag – ermordet. Über ihre Nachfahren und Angehörige konnte Marquart bislang nichts in Erfahrung bringen. “Wir haben leider auch kein Foto von ihr”, ergänzt das Mitglied der Initiative. Mit dem fünften Stolperstein ist für Marquart und seine Mitstreiter aber noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht: “Das geht noch weiter. Es ist aber sehr zeitaufwendig.”

Gunter Demnig, der Initiator des Projekts Stolpersteine, verlegt am Freitag, 14. März, von 12 Uhr an den Gedenkstein für Friederike Reinhardt an der Büsnauer Straße 260 (bei der katholischen Kirche).
 
Aktualisiert: 28.02.2008 06:04 Uhr