Stuttgarter Zeitung vom 02.08.2006:
Die vergessenen Schicksale der Sinti aus Stuttgart
Ein verdrängter Völkermord
Am 2. August 1944 – heute vor 62 Jahren – wurde das “Zigeunerlager” in Auschwitz-Birkenau aufgelöst und ermordet, wer nicht arbeitsfähig schien: Insgesamt 2897 Menschen wurden allein an diesem Tag in die Gaskammern gezwungen, darunter fast alle Frauen und Kinder. Insgesamt, so schätzen Historiker heute, sind in der Zeit des Nationalsozialismus bis zu einer halben Million Roma und Sinti in Europa ermordet worden. Anders als der Völkermord an den europäischen Juden ist dieser Genozid lange nicht als solcher anerkannt und kaum systematisch erforscht worden.
Der Archivar der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Stephan Janker, und der Verein Stolpersteine Stuttgart haben bei ihrer Forschung zu NS-Opfern die landesweite Dimension der Deportation von mindestens 234 Sinti und Roma am 15. März 1943 erkannt, die bisher nur in lokalgeschichtlichen Zusammenhängen beschrieben worden ist. Obwohl das Netzwerk erst seit einigen Monaten intensiv zur Verfolgung der württembergischen Sinti und Roma arbeitet, kann Janker schon jetzt belegen, dass mindestens zwei Drittel der Deportierten dieses Stuttgarter Transports nicht überlebt haben. Unter den Namen, die Janker im Totenbuch von Auschwitz gefunden hat, sind auch die Töchter und Angehörige von Hildegard Franz.
Zeitzeugen oder Angehörige, die etwas über diese Deportation vom 15. März 1943 berichten können, werden gebeten, sich beim Verein Stolpersteine zu melden. Die Internetadresse lautet www.stolpersteine-stuttgart.de. hsk