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Max und Regina Berber, Mozartstr. 25

Max und Regina Berber waren „polnische Juden“, geboren im damals österreich-ungarischen Galizien, seit 1919 dem polnischen Staat zugehörig. Max Berber wurde am 22.2.1896 in Zlocow, Regina Berber geb. Glücklich (Gliclik) am 11.11.1896 in Rzeszow geboren.  

Max muss schon im Alter von vier Jahren nach Stuttgart gekommen sein, denn sein Vater, Hersch (Hermann) Berber, von Beruf Handelsmann, kam im Jahr 1900 hierher. Die Mutter, Lea Berber, geb. 1869, starb 1932; ihr Grab ist bis heute auf dem Pragfriedhof / Isr. Teil erhalten.

Max wächst in der Innenstadt in verschiedenen Wohnungen auf. Seit 1914 lebt die Familie in der Brunnenstraße 15 (früher Nähe Leonhardsplatz). Der Vater kämpft im 1.Weltkrieg für Deutschland, er kehrt 1918 nicht heim und zählt zu den Vermissten des 1. Weltkriegs. Max Berber, jetzt 22 Jahre alt, erscheint zum ersten Mal selbständig neben seiner Mutter, der Handelsmanns Witwe Lea Berber. Er arbeitet als Dekorateur.

Mutter und Sohn müssen nun ohne den Vater für den Lebensunterhalt sorgen, sie betreibt zeitweise ein „Vorkaufgeschäft“, er seit 1923 das „Stuttgarter Warenhaus“ in der Seelbergstraße 7 in Cannstatt.
Max Berber hat jetzt die finanzielle Grundlage für die Heirat mit Regina Glücklich. Am 1.2.1924 wird die Tochter Rosa geboren, das einzige Kind der Eheleute.
Die junge Familie wohnt seit 1924 in der Mozartstraße 25, in einer Drei-Zimmerwohnung im Erdgeschoss. Rosa muss als Jüdin 1936 die Volksschule verlassen. Sie geht nun in die jüdische Schule in der Hospitalstraße.
Nach der Aufgabe des „Stuttgarter Warenhauses“ 1926 arbeitet Max Berber im „Warenhaus Hermann Tietz“ (seit der Arisierung 1933 „Hertie“) auf der Stuttgarter Königstraße.

Dann kommt der 28. Oktober 1938: die Ausweisung der in Deutschland lebenden Juden polnischer Staatsangehörigkeit nach Polen. Der offene Verfolgungswille der Nazis traf als erstes diese Juden, die schon lange mit ihren polnischen Pässen unbehelligt in Deutschland lebten. Nach einem Dekret der polnischen Regierung sollten sie sich bis zum 30.10.1938 in Polen einen Prüfungsvermerk holen , andernfalls würden sie ausgebürgert. Das NS-Regime nutzte die Gelegenheit, die Menschen wurden sofort verhaftet und am 28.10.1938 an die polnische Grenze gebracht und dort bei Bentschen aus den Zügen heraus auf freiem Feld ausgesetzt. Die Polen verweigerten zunächst die Aufnahme dieser armen Menschen, bis man sie in einer alten Kaserne internierte. Von der Anfang 1939 erlaubten Rückkehr nach Deutschland zur Ordnung ihrer Vermögensverhältnisse macht das Ehepaar Berber keinen Gebrauch. Durch die deutsche Besetzung Polens nach dem 1. September 1939 geraten sie trotzdem in die Fänge ihrer Verfolger.  
Die 14 Jahre alte Tochter Rosa bleibt allein in Stuttgart zurück. „Ich bin ins Waisenhaus nach Esslingen gekommen, bekleidet nur mit dem, was ich an mir hatte,“ sagt sie später. Sie wird hier mit kleineren Arbeiten für die immer schwieriger werdende Aufrechterhaltung des Betriebs dieser jüdischen Einrichtung betraut.

Am 6. Januar 1940 gelingt die Ausreise nach den USA zur Tante, einer Schwester ihres Vaters. Sie muss hier mit Fabrikarbeiten ihren Lebensunterhalt verdienen. 1950 heiratet sie in New York Lazar Taub, dem nach der Tochter Ruth geborenen Sohn gibt sie den Namen ihres Vaters, Max.
In den 1955 von ihr betriebenen Wiedergutmachungs-Verhandlungen gibt sie an, sie habe zwei- bis dreimal Nachricht von ihren Eltern aus dem Warschauer Ghetto gehabt. „Die Briefe waren alle zensiert. Ich habe meinen Eltern geschrieben, dass ich nach Amerika gegangen bin, aber es hat einige Monate gedauert, bis ich von ihnen darauf Antwort bekommen habe. Ich bekam die letzte Nachricht von ihnen aus dem Warschauer Ghetto am 20. Juni 1940.“

Wann und wie Max und Regina Berber starben, ist unbekannt. Das Warschauer Ghetto wurde Mitte 1940 westlich vom Stadtzentrum in einem von nichtjüdischen Polen, die zuvor ihre Wohnungen verlassen mussten, bewohnten Viertel eingerichtet. Der von den deutschen Behörden „Jüdischer Wohnbezirk in Warschau“ genannte Stadtteil war in Wirklichkeit das größte Sammellager vor allem für das Vernichtungslager Treblinka. Man wird nie wissen, ob sie die Hölle des Ghetto-Alltags noch lange erleben mussten gar bis zum Ghetto-Aufstand im April/Mai 1943, an dessen Ende das gesamte Gebiet durch Niederbrennen und Sprengen vollständig zerstört wurde; oder ob sie bald nach dem letzten Lebenszeichen vom Juni 1940 an Hunger oder Seuchen starben oder erschossen wurden. Der Gedanke, dass der Tochter Rosa die Rettung nach Amerika gelang, wird ihr letzter Trost gewesen sein. Das Warschauer Ghetto gilt als der Todesort von Max und Regina Berber.

Stolpersteinverlegung am 5. Oktober 2009 / Text&Recherche: Irma Glaub, Stuttgart-Süd