Julia Hammels - Lebensabschnitt in der Zeit der Barbarei
Julia Hammels Lebensabschnitt in der Zeit der Barbarei.
30.01.1933 Julia Hammel, 62 Jahre alt, wohnt seit 1930 im ersten Stock des Anwesens Seestraße 114. Die am 03.10.1870 geborene Stuttgarterin ist Hausfrau und Witwe , ihr Mann starb 1930, kurz nachdem er das Haus gekauft hatte. Mit ihr im Haus wohnen weitere sechs Mietparteien. Käthe und Eva Stettiner, Gertrud Lazarus.
24.08.1936 Die Stadt Stuttgart verbietet den jüdischen Mitbürgern den Zugang zu den Stuttgarter Freibädern.
03.12.1938 Julia Hammel wird vom Finanzamt aufgefordert, die erste Rate von 20% Ihrer Vermögensabgabe von insgesamt 29.150, -- RM bis zum 01.03.1939 an das Finanzamt abzuführen.
01.01.1939 Julia Hammel wird gezwungen, zu ihrem Vornamen den Zusatz Sara zu führen.
30.01.1939 Die Stadt Stuttgart fordert Julia Hammel auf, sich umgehend in die sog. „Judenliste“ eintragen zu lassen.
17.02. 1939 Julia Hammel wird ab sofort nach dem höchsten Steuersatz besteuert.
21.02.1939 Frau Hammel wird benachrichtigt, alle Edelmetallgegenstände in der
Städtischen Pfandleihanstalt für den reinen Materialwert abzugeben.
1939 – 1940 Im Anwesen Seestraße 114 sind zusätzlich und amtlich verordnet vier neue jüdische Mietparteien einquartiert.
13.04.1940 Julia Hammel wird aus ihrer privaten Krankenkasse ausgeschlossen.
07.04.1941 Im Haus Seestraße 39 wird der sog. „Judenladen“ eingerichtet. Julia Hammel ist nun gezwungen, alle Lebensmittel und Dinge für den täglichen Bedarf nur dort einzukaufen.
02.08.1941 Der Präsident der Reichsschriftgutkammer verbietet den jüdischen Mitbürgern die Benutzung der allgemeinen Leihbüchereien.
01.09.1941 Julia Hammel wird durch Gesetz gezwungen, den sog. „Judenstern“ sichtbar zu tragen, sobald sie das Haus verläßt.
12.12.1941 Das Reichssicherheitshauptamt verbietet den jüdischen Mitbürgern die Benutzung öffentlicher Fernsprecher
13.02.1942 Julia Hammel verkauft ihr Haus an einen Gauamtsleiter der NSDAP; der Kaufspreis von 77 500 RM liegt weit
unter dem Schätzwert.
27.05.1942 Der Oberbürgermeister der Stadt als Preisbehörde reduziert die zunächst vereinbarte Summe um weitere 21000 RM.
01.05.1942 Die Stadt Stuttgart untersagt den jüdischen Mitbürgern die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel.
14.08.1942 Julia Hammel erhält von der Reichsvereinigung der Juden die Aufforderung, sich am 19.08.zum Transport nach Theresienstadt im Sammellager auf dem Killesberg einzufinden.
14.08.1942 Der Gerichtsvollzieher erscheint und fordert sie auf, das Formblatt der 11. Verordnung des Reichfinanzministers zu unterzeichen. Damit verfällt ihr gesamtes Vermögen dem Reich, sobald sie in Theresienstadt eintrifft. Für die Unterschrift verlangt der Beamte einen Betrag von 1, 15 RM.
1940 – 1941 In Julia Hammels Haus Seestraße 114 sind nun sechs weitere jüdische Mieter zwangseingewiesen, drei von diesen werden am 01.12.1941 nach Riga deportiert.
1941 – 1942 Alle 8 jüdischen Hausgemeinschaften werden deportiert.
22.08. 1942 Julia Hammel wird mit ca 1000 jüdischen Leidengefährten vom Killesberg zum Inneren Nordbahnhof geführt und von dort nach Theresienstadt deportiert.
07.091942 Todesdatum von Julia Hammel, amtlich nach dem Kriege „für tot erklärt“. Ihre Asche wird auf einem Feld nahe des Lagers „entsorgt“. –
Das Anwesen Seestraße 114 befindet sich danach im Besitz des NS Bezirksnotars und Gauamtsleiters H. Sch
Recherche: Initiative Stolpersteine S-Nord, Josef Klegraf
Quellen: Stadtarchiv Stuttgart, Staatsarchiv Ludwigsburg.
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter