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Jenny und Eugen Grimminger, Altenbergstr. 42

Jenny und Eugen Grimminger im Sommer 1932 in StuttgartEinen STOLPERSTEIN erhält am 19. Oktober 2022 Eugen Grimminger (1892‐1986) in der Altenbergstraße 42, wo er seit 1935 wohnte. Für seine Frau Jenny (Jg. 1895), die jüdischer Abstammung war und 1943 in Auschwitz ermordet wurde, gibt es hier bereits seit 2006 einen solchen Gedenkstein, der jetzt erneuert wird.

Den Stein für Eugen hat Holger Martens von der Historiker‐Genossenschaft in Hamburg angeregt, der auch dessen Schicksal beschreibt:
Eugen Grimminger wurde am 29. Juli 1892 in Crailsheim geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung im Verwaltungsdienst der Stadt. Er wurde Soldat im Ersten Weltkrieg, aus dem er als Pazifist zurückkehrte, und übernahm nach Kriegsende öffentliche Aufgaben in der Ernährungswirtschaft, die vor allem die Mangelverwaltung betrafen. 1922 heiratete er Jenny Stern. Im selben Jahr wechselte Grimminger zum Verband landwirtschaftlicher Genossenschaften als Revisor. Darüber hinaus gelang es ihm, die württembergische Milchwirtschaft erfolgreich auszubauen. Nach der Machtübernahme der Nazis wurden die Schikanen wegen „jüdischer Versippung“ immer stärker, bis ihn der Genossenschaftsverband im Frühjahr 1935 auf die Straße setzte. Er machte sich als „öffentlich vereidigter Buchprüfer“ selbstständig und betrieb ab 1937 ein Treuhand‐ und Beratungsbüro in der Tübinger Straße 1 in Stuttgart. Nach der Reichspogromnacht half er jüdischen Freunden und politisch Verfolgten zur Flucht in die Schweiz. 1942 übernahm Eugen Grimminger auf Wunsch von Robert Scholl, der eine Haftstrafe antreten musste, dessen Treuhandbüro in Ulm. So kam er in Kontakt mit Inge und Sophie Scholl, später auch mit Hans Scholl und Alexander Schmorell. Er unterstützte den Kampf der jungen Aktivist:innen der „Weißen Rose“ gegen die NS‐Diktatur mit mehreren Tausend Reichsmark und gilt als der wichtigste Finanzier der Widerstandsgruppe. Auch soll er ein Flugblatt entworfen haben, das er Hans Scholl zur Vervielfältigung vorschlug.

Nach der Verhaftung der Geschwister Scholl wurde Eugen Grimminger am 2. März 1943 gefangen genommen. Der gegen ihn wegen Hochverrat beantragten Todesstrafe entging er nur knapp ‐ nicht zuletzt dank der mutigen und klugen Aussage seiner Angestellten Tilly Hahn. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn am 19. April 1943 zu zehn Jahren Zuchthaus. Am 10. April 1943, also noch vor seiner Verurteilung, wurde Jenny, die bis dahin trotz ihrer jüdischen Herkunft als Frau eines „Ariers“ im brüchigen Schutz einer „Mischehe“ gelebt hatte, verhaftet und über das Frauen‐KZ Ravensbrück nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Die Einzelhaft im Zuchthaus Ludwigsburg und die Ungewissheit über das Schicksal seiner Frau machten ihm schwer zu schaffen. Nachdem Eugen im Januar 1944 vom Tod seiner Frau erfahren hatte, erlitt er erneut einen Zusammenbruch und beging einen Selbstmordversuch. Schon 1941 war seine Schwägerin mit vier Kindern im Alter von 7 bis 15 Jahren nach Riga deportiert und dort erschossen worden.

Am 22. April 1945 wurde er von französischen Truppen befreit. Umgehend widmete sich Eugen Grimminger wieder dem Genossenschaftswesen und wurde im Juli 1945 Verbandsdirektor (später Präsident) des Landesverbands landwirtschaftlicher Genossenschaften in Württemberg, eine Funktion, die er bis Ende 1958 ausübte. Eugen Grimminger heiratete in zweiter Ehe seine langjährige Mitarbeiterin Tilly Hahn.
Im Ruhestand widmete er sich dem Tierschutz und war von 1958 bis 1972 Vorsitzender des Stuttgarter Tierschutzvereins. 1964 gründete er mit seiner Frau die „Grimminger‐Stiftung für Anthropozoonosenforschung“ zur Erforschung und Bekämpfung von Tierkrankheiten, die auf Menschen übertragbar sind. Die Stiftung wurde später in „Grimminger‐Stiftung für Zoonosenforschung“ umbenannt. In Crailsheim trägt die Eugen‐Grimminger‐Schule seinen Namen. Auch eine Straße wurde in seiner Heimatstadt nach ihm benannt. Eugen Grimminger verstarb am 10. April 1986 im Alter von 93 Jahren in Stuttgart.

An Jenny Grimminger erinnert ein StolperKunst-Video der Künstlerin Sarah Kraiß. Den Videoclip finden Sie hier.

Jenny Grimminger, geb. Stern
Jg.1895
verhaftet 10.4.1943
Ravensbrück
deportiert 1943
Auschwitz
ermordet 2.12.1943


Eugen Grimminger
Jg. 1892
Mitglied “Weisse Rose”, verhaftet 2.3.1943
Zuchthaus Ludwigsburg
Befreit

Recherche und Ansprechpartnerin für diese Verlegung:
Stolperstein-Initiative Stuttgart-Süd, Werner Schmidt, werner.schmidt@t-online.de