Menü Schließen

Frieder Wurm, Böblinger Str. 158

Frieder Wurm wurde am 30. April 1902 in der Böblinger Str. 158 geboren und wuchs im Milieu des „roten Heslach“ auf. Nach sieben Jahren Volksschule machte er von 1916 bis 1920 eine Lehre als Buchdrucker bei Stähle & Friedel in der Tübinger Straße. Sozialdemokrat wurde er mit 14 Jahren als er der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ) beitrat. 1918 wurde er Mitglied des Deutschen Buchdruckerverbandes. Schon früh engagierte er sich in der Arbeiterjugendhilfe, leistete Beistand vor Gericht, kümmerte sich um Lehrstellen für junge Leute, organisierte eine alkoholfreie Gaststätte in der Rosenbergstraße.

1925 wurde Frieder Wurm mit gerade mal 23 Jahren Vorsitzender des SPD-Bezirks Heslach – dem mitgliederstärksten in ganz Stuttgart. 1929 wählte ihn die SAJ zu ihrem Landesvorsitzenden. Seine Stelle als Berufsberater beim städtischen Arbeitsamt, wo er seit Februar 1926 tätig gewesen war, verlor er bereits im März 1933. Sein Mandat als Gemeinderat, für den er von der SPD noch im selben Monat nominiert worden war, konnte er aufgrund des Parteiverbots vom 22. Juni 1933 praktisch nicht mehr wahrnehmen.

Im Sommer 1933 gründete Wurm mit Karl Hofstetter in der Augustenstraße eine eigene Druckerei, die schnell zu einer Anlaufstelle für verfolgte Sozialdemokraten und zu einem Zentrum für graphische Kunst wurde und auch den „Roten Kurier“ und andere Schriften der Schoettle-Gruppe vervielfältigte und verteilte. Über die illegale Widerstandstätigkeit schrieb Frieder Wurm: „Wir haben 1934 den Erwin Schoettle in St. Gallen besucht, ich, der Hermann Faas, der Hugo Walz und der Ernst Rössle. Wir haben dort die Arbeit am ´Roten Kurier´ besprochen. Wir sind am Montag wieder zurückgekommen… am Dienstagmorgen kommen drei Männer ins Geschäft herein, ich hab´ gleich gewußt, was los ist. Es war die Gestapo. Ich hab´ schon Bauweh gehabt, ob die etwas von der Schweizer Reise wissen. Ich hatte noch Geld in Schweizer Währung in der Tasche, und beim Rausgehen zum Händewaschen hab´ ich meiner Kollegin Frau Kienzle – die hat im ´Eiernest` gewohnt – zugeflüstert: ´Brieftasche`, und die hat gleich gewußt, um was es geht, und hat aus meinem Jackett die Brieftasche mit dem Geld raus.“

Nach mehreren Hausdurchsuchungen und Verhaftungen wurde Frieder Wurm 1936 in einem Hochverratsprozess zu einem Jahr und 9 Monaten Gefängnis verurteilt. Am 17. Januar 1938 wurde er aus der Haft heraus ins berüchtigte KZ Teufelsmoor (Weser-Emsland) verschleppt: „Ich war im Lager 6. Wir hatten dreistöckige Betten. In jeder Baracke waren 200 Mann. Die Lagerältesten waren Kriminelle. Morgens 3:30 Uhr wurden wir geweckt, 4:30 Uhr Abmarsch, dann 20 qm Boden umgraben, das war das Pflichtsoll. Rückmarsch gegen 18 Uhr. Dann gab es eine Wassersuppe mit Blättern, 100 Gramm Schwarzbrot, 100 Gramm Graubrot, jeden dritten Tag Fischpaste, sonntags kein Essen. Nach dem Essen Appell, eine, zwei Stunden stehen, einmal acht Stunden. Jeden Tag wurden Leute erschossen. Wer dem Wachmann den Rücken zukehrte, auf den wurde sofort geschossen.“

Nach seiner Entlassung im August 1938 blieb „der politische Strafgefangene Friedrich Wurm“ unter Polizeiaufsicht und musste sich täglich zweimal (morgens 7:00 h und abends 20:00 h) auf dem Polizeirevier in der Böblinger Str. 110 melden.

1943 wurde Wurm, obwohl er wegen seiner Verurteilung „wehrunwürdig“ war, in eine Strafkompanie eingezogen. Im März 1946 kehrte er aus französischer Gefangenschaft zurück. Am 26. Mai 1946 wurde er in den Stuttgarter Gemeinderat gewählt, dem er bis 1971 ohne Unterbrechung angehörte. Neben seiner beruflichen Tätigkeit als Leiter der Berufsberatung blieb Frieder Wurm vielfältig sozialpolitisch engagiert, insbesondere bei der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und als Vorsitzender des Stuttgarter Jugendhausvereins.