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Frida und Fritz Erlanger, Alexanderstr. 153

Frida Erlanger lebte mit ihrem Ehemann, dem Rechtsanwalt und Notar Dr. Hugo Erlanger, und zwei Kindern lange in der Hohenstaufenstraße 15.  Erst 1933 bezog die Familie die große Sieben-Zimmer-Wohnung im 2. Stock der Alexanderstraße 153, diesem prächtigen im Neorenaissance-Stil gebauten Haus.  Es war ihre letzte freiwillig gewählte Behausung vor Flucht und Deportation.

Frida Erlanger, geb. Prager, am 11.6.1875 in Fürth geboren und ihr Mann Hugo (geb. 4.11.1868 in Stuttgart) waren mit den beiden Kindern  “Fritz (geb. 20.3.1904) und Ruth (geb. 23.5.1908)” eine normale deutsche Familie jüdischen Glaubens, integriert und geachtet in der Stuttgarter Gesellschaft. Der Rechtsanwalt und Notar Dr. Hugo Erlanger mit Zulassung beim Landgericht hatte eine gut gehende Praxis in der Tübinger Straße 14 A. Er war Mitglied im Bürgerausschuss der Stadt Stuttgart für die Fortschrittliche Volkspartei.

Der Sohn Fritz machte 1922 das Abitur am Karls-Gymnasium, studierte Jura in Berlin, Heidelberg und Tübingen und legte 1928 die 2. höhere Justizdienst-Prüfung ab.  Er arbeitete als Amtsrichter in Waiblingen, bei der Staatsanwaltschaft in Ulm sowie beim Reichsausgleichsamt in Berlin.  Nach der Bitte um Entlassung aus dem Staatsdienst ließ er  sich 1931 als Rechtsanwalt im Büro seines Vaters in Stuttgart nieder. 1933 emigrierte er schon im April nach Paris, nachdem seine Zulassung beim Landgericht und Oberlandesgericht zurückgenommen worden war.  Er musste etwa ein Jahr lang französische Rechtswissenschaften studieren, bis er die Prüfung zum “Licencié en Droits” ablegen konnte.  Arbeiten durfte er aber nur als Rechtsberater, die Gerichts-Zulassung wurde ihm verwehrt.

Die Tochter Ruth hatte die Charlotten-Realschule besucht und Buchhändlerin gelernt.  Sie fand als Jüdin schon im April 1933 keine Anstellung mehr, so lernte sie Landwirtschaft in Freudental, um das geforderte Zertifikat für Palästina zu bekommen, wohin sie 1935 auswanderte.  Sie heiratete Herbert Nussbaum, mit dem sie zusammen eine kleine gemischte Landwirtschaft aufzog mit Kühen, Hühnern, Gemüse und Zitrusfrüchten, in Kfar Jedidja auf einem vom Jüdischen Nationalfonds zugewiesenen Boden.  Von hier aus stellte sie nach 1945 die Wiedergutmachungs-Anträge für ihre Eltern und den Bruder. 

1938 verlor Dr. Hugo Erlanger die Zulassung als Rechtsanwalt, hatte also Berufsverbot.  Statt Verdienst wurde ihm Geld abgenommen:  die erste von fünf Raten der Judenvermögens-Abgabe, fällig am 15.12.1938, die weiteren Raten bis Ende 1939; dazu die Reichsflucht-Steuer, fällig am 6.9.1939.

Im Herbst 1939 verließen Frida und Hugo Erlanger die Heimatstadt Stuttgart in Richtung Paris mit je einem Handkoffer. Die Wohnungseinrichtung hatten sie bei einem Spediteur untergestellt  “in der Hoffnung, sie später nachkommen zu lassen; Gold- und Silbergegenstände waren schon vorher in der Pfandleihanstalt abzuliefern gewesen.  In Paris lebten die Eltern nun in der Dreizimmer-Wohnung des Sohns in der Rue de Rome 99.  Für den 72-jährigen Vater, Dr. Hugo Erlanger, kam das Ende hier ungleich erträglicher als später für Mutter und Sohn.  Er starb an einer Grippe-Erkrankung am 18.4.1941”.

Fritz Erlanger wird als deutscher Staatsangehöriger im besetzten Paris in Südfrankreich interniert, u.a. im Camp de Gurs. Wegen schwerer Zuckerkrankheit kommt er ins Hospital nach Perpignan.

Von Perpignan aus schreibt Fritz Erlanger im März 1943 auf einer Postkarte an eine Tante in der Schweiz:  “Meine arme 67 ½ jährige Mutter musste vor ca. einem Monat die Wohnung verlassen und befindet sich krank in der Infirmerie (Lazarett) des Camp de Drancy bei Paris.”  Er hat die Mitteilung von Pariser Freunden und ist voller Gram und Sorgen um seine Mutter.

Diese, Frida Erlanger, wurde tatsächlich im Februar 1943 ins 10 km nordöstlich von Paris gelegene Sammellager Drancy gebracht.  Krank, schwach und alt deportiert man sie schon wenige Wochen später ins Vernichtungslager Majdanek bei Lublin.  Der Tag der Deportation, der 25. März 1943, wird später zu ihrem Todesdatum erklärt.

Sie hatte sicher die Hoffnung in ihrem Elend, dass ihr Sohn Fritz überleben würde, obwohl sie nichts mehr von ihm wusste. Das Spital in Perpignan war ja auch bisher verschont geblieben.

Aber am 16. Oktober 1943  “einige Monate nach seiner Mutter, die zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr am Leben ist”  wird auch er nach Drancy verbracht.
Er, Dr. Fritz Erlanger, 39 Jahre alt, hätte noch so viel in seinem Leben leisten können.

Am 7. Dezember 1943 muss er den Weg nach Auschwitz antreten, wo seinem Leben zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ein Ende gesetzt wird.

Recherche & Text:  2008 / Irma Glaub, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Süd.

Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg, Stadtarchiv Stuttgart.