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Christian Elsässer, Peterstr. 24

Wegen einer Nichtigkeit zum Tod verurteilt

Der Rohrer Bürger Christian Elsässer wurde wegen kritischer Äußerungen über das Nazi-Regime 1944 hingerichtet.  Er wohnte mit seiner Familie in dem Haus Peterstraße 24, das er im Jahr 1926 – er war Maurer von Beruf – mit Freunden zusammen gebaut hatte.  Das heutige Haus ist noch in großen Teilen das Elsässer’sche Haus von 1926.

Christian Elsässer wurde am 18. Oktober 1888 in Rohr geboren. Er hatte drei Schwestern:  Pauline, Marie und Sofie.  Über sein Leben wissen wir sehr wenig.  Nach Aussagen von Rohrer Zeitzeugen ist Christian Elsässer ein kräftiger, dunkelhaariger Mann gewesen, der wegen der Form seines Schnurrbartes den Spitznamen „d’r Stalin“ hatte.  Er wird als rechtschaffener und lieber Mensch beschrieben.  Eine Frau erinnert sich noch heute genau, wie der Onkel Christian ihr als 7-jährigem Mädchen aus Büchern vorgelesen hat.  Irgendwann hätte sie damals immer die Erwachsenen gefragt, warum der Onkel plötzlich nicht mehr da sei.  Man sagte nur: „Der kommt nimmer.“

Christian Elsässer war verheiratet und hatte zwei Söhne, Friedrich und Ernst, die 1915 bzw. 1916 geboren wurden. Beide waren Soldaten im 2. Weltkrieg.  Die Ehefrau Anna, geborene Birk, hat in Rohr lange Zeit die Zeitung ausgetragen, man nannte sie „d’ Blättle’s Anna“.  Sie starb 1978.  Obwohl Maurer von Beruf, war Christian Elsässer viele Jahre lang bis zu seinem Tod Arbeiter bei der Firma Robert Bosch in Feuerbach, war also ein „Boschler“, wie man sagt.

Er war ein Nazi-Gegner, gehörte aber keiner politischen Partei an und war politisch nicht aktiv.  Er äußerte jedoch seine kritische Meinung über Hitler und die Nazis in der Öffentlichkeit.  Im Jahr 1944 passierte dann ein verhängnisvolles, tragisches Ereignis.  Es gibt eine Beschreibung dieses für Christian Elsässer folgenschweren Vorkommnisses an seinem Arbeitsplatz bei Bosch, das zu seiner Verhaftung und zur Todesstrafe führte:  In dem Buch „Kampf um Bosch“ berichtet Eugen Eberle in dem Kapitel „Sieben Jahre offensiver Kampf gegen das Kapital“ darüber.  Eugen Eberle, Werkzeugmacher und Mitglied der KPD, war nach dem Krieg sieben Jahre lang Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats bei der Firma Bosch.

Er beschreibt den Vorfall so:  „Anfang 1944 … drängten sich wie üblich zahlreiche deutsche Arbeiter und italienische Kriegsgefangene an den Schalter, an dem der Kollege Elsässer das Essen und Trinken ausschenkte.  Ein deutscher Arbeiter stürmte nach vorne und beschwerte sich, dass die italienischen Kriegsgefangenen genauso schnell abgefertigt würden wie die „Deutschen“. … Der Kollege Elsässer sagte wörtlich: ‚Mir sind kriegsgefangene Italiener am Arsch lieber als ihr Nazis im Gesicht.’“
Außer der zitierten Beschreibung gibt es offenbar keine anderen Dokumente über den Vorfall.  Die Leiterin des Bosch-Archivs und der Verfasser des Buches „Robert Bosch und der liberale Widerstand gegen Hitler 1933 bis 1945“, Joachim Scholtyseck, teilten mit, dass es keine Unterlagen im Archiv der Firma Bosch zu dem Ereignis gäbe.  Im Bundesarchiv in Berlin befinden sich weder die Anklageschrift noch ein Verhandlungsprotokoll des Volksgerichtshofs sowie kein Urteilsspruch mit Begründung.

Im Berliner Archiv gibt es ein Schriftstück aus der Nachkriegszeit, auf dem neben den Personalien Christian Elsässers festgehalten ist: „Tag des Urteils: 20.7.1944; Gericht: VGH [Volksgerichtshof] 3. Senat; Strafentscheidung: Tod, Ehrverlust; … Vollstreckung: Tag: 28.8.1944; Ort: Brandenburg“.  Danach steht: „Bemerkungen:  Der Vu. [Verurteilte] hat im Jahre 1944 auf seiner Arbeitsstelle gegenüber Arbeitskameraden wiederholt üble defätistische Reden geführt.“

Recherche & Text: Dr. Karl-Horst Marquart.

Quellen: T. Fichter u. E. Eberle:”Kampf um Bosch”, Berlin 1974.