Maria Schiller
Luisenplatz 6
Maria Schiller wurde am 01.07.1894 in Dettingen geboren. Ihr Vater Georg war Fabrikarbeiter, ihre Mutter Katharina, geb. Ihle, war Hausfrau. Über ihre Kindheit und Jugend ist nichts überliefert. Wie viele Familien vom Land zogen die Schillers vor dem 1. Weltkrieg in das boomende Stuttgart, wo Arbeitskräfte gesucht waren. Maria arbeitete zunächst in einer Werkstätte für "Erwerbsbeschränkte". Das deutet auf eine leichte körperliche oder geistige Behinderung hin. Behinderte wurden schon damals nicht in die allgemeine Arbeitswelt integriert, sondern konnten froh sein, wenn sie in einer speziellen Behindertenwerkstatt unterkamen. Maria gelang es jedoch, eine Anstellung als "Ladenfräulein" beim Spar- und Consumverein Stuttgart zu finden. Die Integration eines Behindertenarbeitsplatzes in ein normales Einzelhandelsgeschäft war schon zur damaligen Zeit etwas ganz besonderes.
Nach Ende des Krieges im Jahr 1919 befielen Maria schwere Depressionen. Sie musste mehrmals ins Bürgerhospital, wo die Psychiater Schizophrenie diagnostizierten. Maria verlor ihren Arbeitsplatz. 1923, mit 29 Jahren, wurde sie nach Ravensburg in die Heilanstalt Weißenau eingewiesen. In den 17 Jahren dort wurde sie zwar nicht geheilt, aber zur Entlastung der Anderen verwahrt.
Als sie 45 Jahre alt war, plante die Reichsregierung den nächsten Krieg. Ein Teil der Heilanstalten sollte in Lazarette umgewandelt werden. Um Betten und Personal freizusetzen, sollten 70.000 Kranke und Behinderte beseitigt werden. In der Propaganda waren sie schon seit Jahren als "lebensunwertes Leben", "unnütze Esser" und "Ballastexistenzen" diffamiert worden. Nun sollte die "Volksgemeinschaft" an ihnen die konsequenteste Form der Ausgrenzung vollziehen: die Tötung.
Am 10.Juli 1940 wurde Maria Schiller zusammen mit weiteren Patienten aus der Weißenau in die Tötungsanstalt Grafeneck gebracht und in der Gaskammer ermordet.
Der Stolperstein für Maria Schiller wurde am 27.10.2016 verlegt.
Die Inschrift lautet:
HIER WOHNTE
MARIA SCHILLER
JG. 1894
EINGWIESEN 1923
HEILANSTALT WEISSENAU
'VERLEGT' 10.6.1940
GRAFENECK
ERMORDET 10.6.1940
AKTION T4
Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
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im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
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