Maria Rexer und Sohn Heinrich, Furtwänglerstr. 18
Am Dienstag, dem 18. Juli 1933 veröffentlichte das "Stuttgarter Neues Tagblatt" einen Bericht mit der Schlagzeile:
„Ausflug auf den Heuberg. Strafbare Betätigung in einer verbotenen Organisation.“Darin wird berichtet, dass Mitglieder des aufgelösten Arbeiter-Gesangverein "Freiheit" aus Botnang am Sonntag zuvor versucht hätten, untereinander Verbindung zu halten obwohl dies aufgrund vormaliger marxistischer-kommunistischer Tätigkeit verboten gewesen sei. Sie hätten „…sich nicht gescheut mit 116 Personen und vier Reiseomnibussen einen Ausflug vorzubereiten. Die Omnibusse wurden abgefangen und nach Stuttgart in den Hof der Akademie verbracht. Frauen, Kinder und eingeladene Gäste wurden nach Feststellung der Personalien wieder entlassen. Die ehemaligen Mitglieder und der Dirigent wurden wegen strafbarer Betätigung für eine verbotene Organisation sofort auf das Schutzhaftlager Heuberg verbracht und ein Strafverfahren gegen sie eingeleitet.“
Unter den Verhafteten befand sich auch Heinrich Rexer, geb. 25.05.1910 aus der Feuerbacher Str. 18 (heute Furtwänglerstr.) in Botnang. Heinrich Rexer ist am 29.8.1933 an den Folgen einer Lebensmittelvergiftung im Katharinen-Hospital in Stuttgart verstorben, wohin er vom Heuberg verbracht wurde. Er dürfte daher eines der ersten Todesopfer des Nazi-Terrors in Botnang gewesen sein. In Botnang gab es danach immer wieder Gerüchte, dass Heinrich Rexer an einer "Wurstvergiftung" die er im KZ Heuberg erlitten hat, verstorben sei. Die NSDAP Ortsgruppe Botnang hat im Oktober 1933 unter Hinweis auf ein Schreiben der politischen Polizei verlauten lassen, „… dass es nicht wahr sei, dass Heinrich Rexer an einer Wurstvergiftung, die er sich im Schutzhaftlager zugezogen hätte, verstorben sei. Wer dies weiterhin behaupte, ist sofort zur Anzeige zu bringen und hätte strenge Bestrafung zu gewärtigen.“
Die Urne mit der Asche von Heinrich Rexer wurde auf dem Botnanger Friedhof beigesetzt.
Maria Rexer, geb. Wagner, geb. 12.05.1884 in Gerlingen, heiratete den Holzbildhauer Hermann Rexer aus Botnang und bekame drei KInder. Unter der Sohn Heinrich, geb. 28.5.1910. Im Jahre 1916 wurde sie ins Bürgerhospital in Stuttgart eingewiesen. Ein Grund für diese Einweisung ergibt sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht. Sechs Jahre war sie in der Heilanstalt Pfullingen, kam über Heilanstalt Weissenau nach Schwäbisch Hall -Diakonische Anstalt. Von dort wurde sie am 17.6.1941 "ungeheilt" nach Hadamar „versetzt“.
In der Zeit zwischen 1913 und ihrem Tod wurde die Ehe mit Hermann Rexer geschieden.
Nach den Aufzeichnungen in Hadamar ist sie sofort nach dem dortigen Eintreffen am 17.6.1941 durch Gas ermordet worden.
Ihrem Sohn Otto Rexer, damals Wehrmachtsoffizier, wurde mit Schreiben vom 20.6.1941 mitgeteilt, dass seine Mutter "auf Grund einer ministeriellen Anordnung" in die Anstalt Hadamar verlegt worden und sie dort gut angekommen sei. Besuche und telefonische Auskünfte "...können aus mit der Reichsverteidigung im Zusammenhang stehenden Gründen nicht zugelassen werden". Auch von weiteren Anfragen und Übersendung von Paketen soll Abstand genommen werden. Mit Schreiben vom 27.6.1941 wird Otto Rexer der plötzliche Tod seiner Mutter mitgeteilt. Sie sei an einer Pneumonie verstorben und um den Ausbruch und die Übertragung ansteckender Krankheiten zu vermeiden sofort eingeäschert worden. Eine Sterbeurkunde auf den 27.6.1941 war beigefügt. Die "kostenlose" Überführung auf einen bestimmten Friedhof wurde angeboten. Die von Hadamar übersandte Urne wurde auf dem Botnanger Friedhof beigesetzt. Das Familiengrab, in dem weitere Familienmitglieder lagen, wurde im Jahre 2004 aufgelassen.
Haus Furtwänglerstr. 18 (früher Feuerbacher Straße), Foto: 50er Jahre
Recherche: Jörg Geiß, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Botnang
Quellen: Staatsarchiv Ludwigsburg.
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