„Judenhäuser“, „Judenorte“ und „Altersheime“
Da ab 1939 Juden nicht mehr mit „Ariern“ zusammen unter einem Dach wohnen sollten, wurden sie von der NSDAP, der Stadtverwaltung und der Gestapo aus ihren bisherigen Wohnungen (und damit aus ihrer gewohnten Umgebung) vertrieben und zwangsweise in noch in jüdischem Besitz befindliche Häuser eingewiesen und dort nach und nach konzentriert.
Anders als in den meisten von Deutschland eroberten Ländern wurden auf explizites Verbot Hitlers in Deutschland keine Ghettos errichtet, weil es das erste judenfreie Land sein sollte. De facto waren die Judenhäuser aber eine Form der physischen und gesellschaftlichen Ghettoisierung der Juden in Deutschland.
Ein Teil dieser Häuser war schließlich ganz oder fast ganz mit jüdischen Menschen so überbelegt, dass sie in solchen „Judenhäusern“ bis zu ihrer „Evakuierung“ und Deportation wie in einem Ghetto hausen mussten.
Ab 1940/42 wurden aus größeren Städten Juden – aus Stuttgart 250 – in Orte mit einem ehemals hohen Judenanteil (Rexingen, Haigerloch, Buchau, Buttenhausen, Laupheim, Herrlingen, Oberdorf) „evakuiert“. An die 300 ältere, nicht mehr berufstätige Juden pferchte man in notdürftig als „Altersheim“ eingerichtete, renovierungsbedürftige Schlösser (Dellmensingen, Oberstotzingen, Weißenstein, Eschenau) und in das alte Zwiefaltener Amtshaus in Tigerfeld.
Diese „Judenorte“ und „Altersheime“ waren für die meisten Juden jedoch ebenso wie die „Judenhäuser“ nur Zwischenstationen auf dem Weg zur Deportation.
Franz Schönleber/Werner Schmidt - Stuttgart-Süd
Im städtischen Verwaltungsbericht 1941, der von Oberbürgermeister Dr. Strölin in der öffentlichen Ratsherrensitzung am 8. Januar 1942 erstattet wurde, heißt es im Abschnitt „Wohnungs- und Siedlungswesen“ auf S. 17 f.:
„Beim Inkrafttreten des Reichsgesetzes über die Mietverhältnisse mit Juden vom 30. April 1939 lebten in Stuttgart 2 096 Juden in 721 Wohnungen. Durch die auf Grund dieses Gesetzes und späterer Anordnungen durchgeführten Maßnahmen konnten bisher rd. 600 Wohnungen dem Wohnungsmarkt zur Unterbringung arischer Familien zugeführt werden. Die im Gang befindliche Freimachung jüdischer Altersheime und deren Umwandlung in städtische Altersheime wird eine weitere Entlastung des Wohnungsmarktes bringen.
In diesem Zusammenhang werden Sie sich für den derzeitigen Stand der jüdischen Bevölkerung in Stuttgart interessieren. Die Zahl der Juden ist neuerdings durch Verweisung von Juden nach einigen Orten in Württemberg, wie Buttenhausen, Haigerloch, Oberdorf bei Bopfingen und Weißenstein, ferner durch die Evakuierung eines Teiles der Juden nach dem Osten stark zurückgegangen. Während bei der Machtübernahme rund 5 000 Juden in Stuttgart gewohnt haben, ist ihre Zahl bis heute auf 845, also etwa auf ein Fünftel zurückgegangen.“
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter