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Eugen Banz, Schockenriedstr. 11

Ein Stolperstein erinnert künftig an einen Mann, den die Kritik an den Nationalsozialisten ins Konzentrationslager brachte.
Man kann sich kaum vorstellen, dass das Industriegebiet östlich des Vaihinger Bahnhofs einmal eine Wohngegend war. Inmitten all der glatten Bürohausfassaden, poliert und mit verspiegeltem Glas, vermutet man einfach keine Wohngegend. Tatsächlich sagten die Vaihinger “hinten im Industriegebiet”, wenn sie über das Viertel sprachen. Doch ehe die Bomben im Zweiten Weltkrieg die wenigen dort stehenden Häuser zerstörten, hatten dort Vaihinger Bürger ihre Heimat. An einen dieser Bürger erinnert seit gestern, direkt vor dem Bau des Regierungspräsidiums an der Schockenriedstraße 11, ein Stolperstein. So heißen die mit einer Messingplatte bestückten Betonsteine, die der Kölner Künstler Gunter Demnig seit Jahren für Opfer der NS-Diktatur auf Gehwegen verlegt.

In Stuttgart recherchieren 14 Initiativen die Biografien von Naziopfern und erinnern mit den Stolpersteinen an sie. Die Vaihinger Initiative hat gestern das sechste Kleindenkmal dieser Art im Stadtbezirk verlegen lassen – sicher an einem ungewöhnlichen Ort. Eugen Banz, Jahrgang 1880, war allerdings auch kein gewöhnlicher Mensch. Er hat den Mund aufgemacht gegen die NS-Bonzen, die mit ihrem Verhalten gegenüber Banz ihre ganze Unmenschlichkeit offenbarten. Banz war kein Jude gewesen und auch kein Angehöriger einer anderen vom NS-Regime verfolgten Gruppe. Aber er hat angesichts der Untaten der Nazis nicht geschwiegen.

Eugen Banz passte die Willkür der neuen Machthaber nicht. In Vaihingen war bekannt, dass er den NS-Machthabern kritisch gegenüberstand. Der despotische und brutale NSDAP-Ortsgruppenleiter Hans Junginger sah in dem parteilosen Eugen Banz deshalb einen Gegner, den es zu bekämpfen galt. Junginger verbot Banz 1934, Arbeitsfrontanzüge anzufertigen – ohne konkreten Anlass. Der Schneidermeister beschwerte sich und wanderte dafür eine Woche in “Schutzhaft”. Die offiziell ausgestellte Arbeitsgenehmigung wurde von Junginger abgefangen und tauchte nie mehr auf. Banz, der für die Kosten dieser “Schutzhaft” selbst aufzukommen hatte, ließ sich jedoch nicht einschüchtern. Im Verfahren gegen den Vaihinger Gottlob Häberle bezichtigte Banz Ortsgruppenleiter Junginger des Meineids – wohl zu Recht, doch das Gericht schützte den Amtsträger.

Ein kritischer Brief an den Kreisleiter Wilhelm Fischer sollte Eugen Banz das Leben kosten. Die Nazis töteten ihn freilich nicht auf direktem Wege: Nach Eingang des Briefs wurde Banz am 14. Juli 1936 festgenommen und ins Konzentrationslager Welzheim gebracht. Aus der fünfmonatigen Haft kam der zuvor als “stattlicher Mann” beschriebene Schneidermeister gebrochen zurück – und krank. Das Nierenleiden, an dessen Folgen Eugen Banz im Februar 1942 verstarb, hatte er sich in Welzheim durch Misshandlungen und Erkältungen zugezogen.

Zahlreiche Teilnehmer, darunter drei Schulklassen, konnten gestern vom Leben des Eugen Banz erfahren. Bei dem kleinen Festakt, den der schwäbische Liedermacher Thomas Felder umrahmte, kam trotz Berufsverkehrs in dem Vaihinger Gewerbegebiet eine nachdenkliche Stimmung auf. Gunter Demnig betonierte seinen Stolperstein wortlos in den Gehweg an der Schockenriedstraße. Auf der Messingplatte steht eingraviert: “Hier wohnte Eugen Banz, Jahrgang 1880, verhaftet 1934 und 1936, KZ Welzheim, durch Haftfolgen tot 1. 2. 1942”.

Der Fall Eugen Banz war für seine drei Kinder und deren Nachkommen kaum ein Thema gewesen. Banz Gattin Klara erhielt bis zu ihrem Tod 1955 von der Bundesrepublik eine kleine Hinterbliebenenrente. Es ist dem Einsatz des Ehepaars Marquart und der Vaihinger Stolperstein-Initiative zu verdanken, dass das Schicksal dieses mutigen Opfers des NS-Terrors wieder ans Licht kam. Der Stolperstein mag im weitläufigen Vaihinger Industriegebiet unauffällig bleiben – ein stummer Zeuge ist er auch dort. Eben da, wo früher der Schneidermeister und Nazikritiker Jürgen Banz sein Zuhause hatte.


Recherche und Betreuung des Legortes: Dr. Karl-Horst Marquart, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Vaihingen.
Quellen: Landesarchiv Ludwigsburg.