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Ingrid Rieth, Juiststr. 14

Stolperstein am 15. November 2018 für
Ingrid Rieth
geb. 18.11.1943
Juiststr. 14, Neuwirtshaus
Ermordet in der Kinderfachabteilung Türlenstr.22a am 14.1.1944

Der Schreiner Hans Rieth war im Krieg und bekam nur kurz Urlaub zur Eheschließung mit der Verkäuferin Lore Kaufmann. Diese blieb nach der Hochzeit bei ihren Eltern in der Juiststr. 14 wohnen. Ihre Tochter Ingrid Rieth wurde am 18.11.1943 zu früh geboren. Am 14.1.1944 wurde sie in der Kinderfachabteilung in der Kinderklinik Türlenstr. ermordet. Die vorgebliche Todesursache von Frau Dr. Schoch hieß: Frühgeburt, Mongolismus, Lungenentzündung. Die Diagnose „Lungenentzündung wurde in der „Kinderfachabteilung“ bei Vergiftung mit Luminal zur Vertuschung benutzt, da es bei Überdosierung ähnliche Symptome hervorruft. Ingrid wurde keine zwei Monate alt.

Die Kinderfachabteilung in Stuttgart
Der Arzt Eugen Stähle, Obermedizinalrat und Ministerialrat im Ministerium des Innern in Württemberg, schrieb „am 25. November 1942 einen als ‚Geheime Reichssache!‘ gekennzeichneten
Brief an den ‚Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden‘ in Berlin – die getarnte Organisationszentrale für die ‚Kindereuthanasie‘
in der Kanzlei des Führers.“

(Karl-Horst Marquart: Stuttgarter NS-Täter, 2009, S.104.) Darin teilte er mit: „Obermedizinalrat
Dr. Lempp vom städtischen Gesundheitsamt Stuttgart und Leiter der städtischen Kinderheime in Stuttgart ist bereit, Kinder mit erb- und anlagebedingten schweren Leiden zur Beobachtung und entsprechenden Behandlung in seine Kinderheime aufzunehmen.“
 (Karl-Horst Marquart: Stuttgarter NS-Täter, 2009, S.105.) Das bedeutete in der Regel eine Tötung der betroffenen Kinder. In Stuttgart sind 52 derartige Fälle nachgewiesen.

Was geschah in den„Kinderfachabteilungen“?
„Unter dem Namen „Reichsausschuss zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten
schweren Leiden“ wurde 1939 eine Organisation geschaffen, die geisteskranke und missgebildete Kinder, zunächst bis zum Alter von drei Jahren erfasste, später auch ältere….
Das alles sollte unter strengster Geheimhaltung geschehen.“
 (Elisabeth Zöller, Anton oder die Zeit des unwerten Lebens, Fischer Taschenbuchverlag, 2012)
Hebammen und Ärzte wurden verpflichtet, Kinder mit Missbildungen und Behinderungen zu melden. Auf die Eltern wurde Druck ausgeübt, sie zur „Behandlung“ in „Kinderfachabteilungen“ zu geben, wo angeblich eine Therapie der Missbildung oder Behinderung möglich wäre.
Diese „Kinderfachabteilungen“ waren aber „getarnte Einrichtungen zur Tötung von missgebildeten Neugeborenen und behinderten älteren Kindern, das heißt von Kindern mit einem ‚schweren angeborenen Leiden‘. ‚Behandlung‘ bedeutete Tötung durch Verabreichung einer Überdosis von Tabletten oder Spritzen eines starken Schlafmittels, hauptsächlich des Medikamentes Luminal.“
(Karl-Horst Marquart: Stuttgarter NS-Täter, 2009, S.105.) Auf den Totenscheinen wurden die Todesursachen und die Namen der Ärzte gefälscht sowie erlogene natürliche Todesursachen wie z.B. Lungenentzündung angegeben.