Clara und Paula Straus
In der Gablenberger Hauptstraße 173 lebten einst vier Frauen jüdischer Abstammung:
Clara Straus, geb. Levi, wurde am 15. Januar 1870 geboren. Sie brachte zwei Töchter, Lilli und Paula, zur Welt. Wann ihr Mann starb, wissen wir nicht.
Lilli Straus, geboren am 24. März 1892, arbeitete viele Jahre als kaufmänische Angestellte in der Stuttgarter Kakao- und Schokoladenfabrik Buck, zuletzt bis März 1934 als Prokuristin. Als "Nichtarierin" verlor sie diese Arbeit.
Paula Straus. geboren am 31. Januar 1894, wurde eine der ersten Gold- und Silberschmiedemeisterinnen Deutschlands. Ihr Atelier hatte sie in Stuttgart Nord. Ihr Interesse galt der Herstellung von Gebrauchsgegen-ständen aus Silber, z.B. Schalen, Kannen, Dosen und Besteck. Sie entwarf aber auch Haushaltsgerät aus anderen Materialien sowie Möbel. Ihre einfache und funktionale Formsprache nahm manches vorweg, was das Weimarer Bauhaus später weltbekannt werden ließ. Das für industrielle Fertigung geeignete Design sollte schöne Gegenstände auch für Durchschnittsverdiener erschwinglich machen. Von ihren Arbeiten, oft nur als Einzelstück oder Kleinserie hergestellt, ist wenig erhalten. Die Nationalsozialisten bekämpften das Bauhaus und sein Umfeld, und Silberobjekte einer Jüdin besaßen ohnehin nur Materialwert. So wurden während des Kriegs und danach viele ihrer Werke durch Einschmelzen zu Geld gemacht.
Elise Erlanger, geb. Kahn, kam am 02. Dezember 1872 zur Welt. Sie war zwei Jahre jünger als Clara und ebenfalls Witwe. Ob sie mit der Familie Straus verwandt war und ab wann sie im Haus lebte, wissen wir nicht.
Am 10. November 1938, am Tag nach der Reichspogromnacht, erwarb die Kakao- und Schokoladenfabrik Buck das Haus. Nur Lilli Straus gelang 1939 die Ausreise in die USA. Die anderen drei Bewohnerinnen wurden aus Stuttgart in sogenannte "Judenorte" umgesiedelt, die als Zwischenstationen vor der Vernichtung geplant waren. Clara und Paula Straus kamen nach Haigerloch, Elise Erlanger nach Buchau.
Am 22. August 1942 wurden die drei Frauen im gleichen Transport von Stuttgart nach Theresienstadt deportiert. Elise Erlanger wurde am 23. September 1942 weiter "nach dem Osten" gebracht und ist dort verschollen. Paula Straus wurde am 29. Januar 1943 nach Auschwitz verfrachtet und dort am 10. Februar 1943 ermordet. Clara Straus kam am 10. November 1943 in Theresienstadt ums Leben.
Die Stolpersteine für Clara und Paula Straus tragen folgende Inschriften:
HIER WOHNTE HIER WOHNTE
KLARA STRAUS PAULA STRAUS
GEB. LEVI JG. 1894
JG. 1870 DEPORTIERT 1942
DEPORTIERT 1942 THERESIENSTADT
ERMORDET 10.11.1944 ERMORDET 10.2.1943
THERESIENSTADT AUSCHWITZ
Das Badische Landesmuseum Karlsruhe erinnerte 2011 mit der Ausstellung FRAUENSILBER an Paula Straus und andere Silberschmiedinnen der Bauhauszeit.
Den Nachlass von Paula Straus beherbergt heute das Jüdische Museum Berlin.
Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost
Quelle (Foto): Jüdisches Museum Berlin, Schenkung von Evelyn Grill-Storck in Erinnerung an Prof. Dr. Joachim Wolfgang Storck.
ZEITGENOSSE DEMNIG
Für die SWR-2-Reihe "Zeitgenossen" hat Andreas Langen mit Gunter Demnig, Erfinder der Stolpersteine, gesprochen...
Podcast "gedenkworte" Akademie für gesprochenes Wort - Uta-Kutter- Stiftung und Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
Das Sprecherensemble der Akademie für gesprochenes Wort spricht die Geschichte der Personen hinter den Stoplersteinen. Ein gemeinsames Projekt der Akademie für gesprochenes Wort und der Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter