Zwei Stolpersteine für Fritz und Eugenie Bächle...
...in der Bergstraße 51
Fritz Bächle wurde am 11. März 1891 in Schwäbisch Gmünd geboren. Er besuchte mit Erfolg das Realgymnasium. Nach der Schule machte er eine kaufmännische Lehre. Da er sprachlich sehr begabt war, spezialisierte er sich auf Auslandskorrespondenz. Am 1. Weltkrieg nahm er als Soldat teil. Welches Grauen er dort erlebte, wissen wir nicht. Aber 1918 hat ihn das Militär als "gemütskrank" ins Lazarett Weissenau in Ravensburg eingewiesen.
Eugenie Bächle, geb. Metzger, kam am 18. Juli 1899 in Beutelsbach zur Welt. Ihr Vater starb 32-jährig an einem Lungenleiden. Sie wohnte zunächst bei den Großeltern in Bad Boll und besuchte dort die Schule. Als ihre Mutter wieder heiratete, holte sie Eugenie in die neue Familie nach Gaisburg. Hier ging das Mädchen weiter zur Schule und lernte sehr gut. Nach der Schule war sie bei der Firma Busing als Büglerin beschäftigt.
Eugenie und Fritz Bächle heirateten 1919 und wohnten in der Bergstraße 51 in Stuttgart-Ost. Sie bekamen vier Kinder. Eugenie war eine ernste, religiöse Frau und darauf bedacht, dass es der Familie gut ging. Auch Fritz Bächle wird als sparsamer und stiller Mann mit vielseitigen Interessen beschrieben. Er hing sehr an den Kindern und achtete darauf, dass sie gut lernten. Zuletzt arbeitete er als Kaufmann in einem Häute-Importgeschäft.
Ab 1930 zeigten sich Änderungen seines Verhaltens. Er trat aus der Kirche aus, schloss sich einer Sekte an und ließ sich von deren Lehren stark beeinflussen. In der Wirtschaftskrise 1931 wurde er arbeitslos, was ihn psychisch stark belastete. Sein Verhalten wurde immer auffälliger. Er war nun viel unterwegs und verschenkte Geld. Er meinte, Stimmen zu hören und fühlte sich verfolgt. Im Oktober 1933 wurde er ins Bürgerhospital Stuttgart gebracht und im November 1933 in die Heilanstalt Christophsbad in Göppingen eingewiesen.
Der Leiter des Bürgerhospitals, Dr. Wetzel, stellte in seinem Gutachten fest, die schizophrene Erkrankung stehe in Zusammenhang mit dem Kriegsdienst. Damals war offensichtlich, dass viele Soldaten nicht nur körperlich verstümmelt, sondern auch mit psychischen Schäden aus dem Krieg zurückkehrten. Doch der bald wieder aufkommende Militarismus verdrängte diese Tatsache und ließ die Opfer mit ihren Problemen allein. Der Staat verweigerte auch Fritz Bächle eine Kriegsopferrente.
So lastete die Versorgung der Familie mit den vier minderjährigen Kindern allein auf Eugenie. Zwar fand sie Unterstützung bei ihrer Mutter, die in der Gablenberger Hauptstraße 50 wohnte. Aber die materiellen und seelischen Belastungen wurden zu groß. Am 20. Mai 1934 brach sie zusammen und wurde ins Bürgerhospital eingewiesen. Die Ärzte stellten eine "akute Psychose mit schizophrenen Zügen" fest. Am 30. Mai 1934 holten die Angehörigen sie gegen ärztlichen Rat nach Hause. Schon in der Nacht verschlimmerte sich ihr Zustand. Am 1. Juni wurde sie erneut ins Bürgerhospital gebracht. Von dort kam sie am 6. Juli 1934 in die Heilanstalt Weissenau bei Ravensburg.
Nach der Einlieferung der Mutter in die Psychiatrie lösten die Behörden den Haushalt der Familie auf und brachten die vier Kinder in Kinderheime.
1937 wurde auch Fritz Bächle aus dem Christophsbad in Göppingen in die Heilanstalt Weissenau verlegt.
Im Jahr 1939 hatte die Regierung beschlossen, in einer Geheimaktion 70.000 Patienten der Heilanstalten im Reich zu töten, um Betten und Personal für Lazarette freizumachen, die sie für den geplanten Krieg benötigte.
Am 24. Mai 1940 brachte der graue Bus der "Gemeinnützigen Krankentransportgesellschaft" Eugenie Bächle aus der Heilanstalt Weissenau in die süddeutsche Tötungszentrale Grafeneck bei Münsingen. Fritz Bächle folgte mit einem späteren Transport am 9. September 1940. Beide wurden sofort nach ihrem Eintreffen in der Gaskammer ermordet und eingeäschert.
Der älteste Sohn erschien alt genug, um ihn im Russlandkrieg einzusetzen, wo er 1942 umkam.
Die Stolpersteine für Fritz und Eugenie Bächle wurden am 01. Juli 2016 verlegt.
Die Inschriften lauten:
Recherche und Text: Stolperstein-Initiative Stuttgart-Ost
ZEITGENOSSE DEMNIG
Für die SWR-2-Reihe "Zeitgenossen" hat Andreas Langen mit Gunter Demnig, Erfinder der Stolpersteine, gesprochen...
Podcast "gedenkworte" Akademie für gesprochenes Wort - Uta-Kutter- Stiftung und Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
Das Sprecherensemble der Akademie für gesprochenes Wort spricht die Geschichte der Personen hinter den Stoplersteinen. Ein gemeinsames Projekt der Akademie für gesprochenes Wort und der Initiative Stolpersteine Stuttgart-Ost
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter