Warum Stolpersteine?
E-mail von Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) vom 22. Januar 2018
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst (hier das einzige Familienbild von Bertha, Ernst und Tochter Hannelore Levi. Nachdem Hannelore mit einem Kindertransport nach England gerettet werden konnte, kolorierte sie dieses Bild, ursprünglich ein Schwarz-Weiß-Abzug, in kräftigen Farben. Später erzählte sie ihrer Tochter, darin habe sich ihr Wunsch ausgedrückt, die unerreichbar fernen Eltern auf eine kindliche, fröhliche Weise in Erinnerung zu behalten), letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt.
„It’s quite unbelievable to me after my whole lifetime of being told by Mutti that before her new life in England and subsequently N.Z began, that all who had gone before were totally gone and thus she felt that there was no point in looking backward. Even though as a young child I always understood her need to put it all behind her, I also knew that no person is or lives as an island and that there was much she could not tell me.
You and the Stoplersteine have acknowledged that I have a background. I’ve always felt German, however could never quite grasp a tangible aspect to this feeling.
The Stoplersteine for my family have, in a way bought to life for me, the grandparents that I never met. Of course Stoplersteine are doing similar for so many thousands of other lives that have been lost, but because of Stoplersteine these families now have a presence in our modern day world.
So tonight at 2.20 am it’s very hot. I can’t sleep tonight, the humidity makes everything feel uncomfortable. So you see, even here in our safe, beautiful, coastal paradise, there is a half Deutsch, half Kiwi girl who is silly enough to find fault. I’m sure my Oma Berta would tell me off for complaining about this!“
„Es ist unglaublich. Mein ganzes Leben lang hat Mutti mir gesagt, dass von ihrem Dasein, bevor sie nach England und Neeseeland kam, nichts und niemand übrig sei, und dass es keinen Sinn ergebe, zurückzublicken. Obwohl ich als Kind ihre Notwendigkeit verstanden habe, all das hinter sich zu lassen, wusste ich doch, dass niemand eine Insel ist; und dass es vieles gab, was sie mir nicht erzählen konnte.
Ihr und die Stolpersteine habt anerkannt, dass ich eine Abstammung habe. Ich habe mich immer deutsch gefühlt, aber konnte das nie dingfest oder begreifbar machen. Die Stolpersteine für meine Familie haben mir auf eine bestimmte Art die Großeltern zurückgebracht, die ich niemals getroffen habe. Die Stolpersteine tun das in ähnlicher Weise für tausende anderer Familien, die ebenfalls Verluste erlitten haben. Aufgrund der Stolpersteine sind diese Familien nun in der heutigen Welt präsent.
Heute Nacht ist es sehr heiß hier. Ich kann nicht schlafen, die Feuchtigkeit ist erdrückend. Du siehst also, sogar hier in unserem sicheren, schönen Paradies am Meer gibt es ein halb deutsches, halb Kiwi- Mädchen, das dumm genug ist, ein Haar in der Suppe zu finden. Ich bin sicher, Oma Berta würde mir ganz schön was erzählen, über welche Kleinigkeiten ich mich hier beklage!“
Übersetzung: Andreas Langen, Stuttgart
Links:
STOLPERBLICK - StolperKunst in Corona-Zeiten
Künstler*innen bleiben gerade auch in diesen Zeiten präsent und begegnen einem konkreten Stuttgarter Stolperstein oder einem anderen Ort, der in Stuttgart an die Verfolgungen in der NS-Zeit erinnert
http://www.stolperkunst.de/stolperblick-stolperkunst-in-coronazeiten/
Silke Arning auf SWR2 über das Los der Zwangsarbeiter im Lager auf der Schlotwiese
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter