Alfred Kahn, Trude Kahn geborene Bauer, Annemarie Kahn
Die Familie Kahn war im Jahre 1929 nach Stuttgart in die Hölderlinstraße 51 gezogen. Nach der Geburt ihrer Tochter Annemarie lebten sie von 1931 bis 1936 in der Hölderlinstraße 53 im Erdgeschoss eines vierstöckigen Wohnhauses; im Kriegsjahr 1944 wurde es total zerstört.
Alfred Kahn wurde am 7. Oktober 1891 in Fürfeld geboren. Er entstammte einer alteingesessenen rhein-pfälzischen Kaufmannsfamilie, sein Großvater hatte in Fürfeld einen erfolgreichen landwirtschaftlichen Handelsbetrieb eingerichtet.
Als junger Mann diente Alfred Kahn im Ersten Weltkrieg als Bataillonsfeldwebel in der deutschen Armee.
Nach dem Krieg baute er sich in Stuttgart als Geschäftsmann eine neue Existenz auf: Er wurde Teilhaber der Firma Immendorf und Link in der Fangelsbachstraße 19, die sich im Besitz von Mitgliedern seiner Familie befand.
Trude Kahn wurde am 7.Oktober 1905 in Stuttgart geboren. Sie war die Tochter von Moritz und Marie Bauer, einer Kaufmannsfamilie, die 1892 von Ensbach nach Stuttgart
umgezogen war. Trudes Großvater, Lazarus Bauer, betrieb eine Wildhäute-Firma, die sich zunächst in der Marienstraße 4, später in der Schlossstrasse 43 befand.
Tochter Annemarie Kahn, geboren am 11. Januar 1931, hat bis zur Auswanderung nach Holland im Hause Hölderlinstraße 53 gelebt.
Anders als vielen jüdischen Mitbürgern in der Stadt muss Alfred und Trude Kahn schon bald klar geworden sein, dass für sie als jüdische Bürger im Deutschland der Nazi-Diktatur ein Leben in Freiheit und Sicherheit nicht länger möglich war, auch wenn er als Frontsoldat für sein Vaterland gekämpft und sein Leben riskiert hatte.
Schon im Jahre 1936 war seine Trikotwarenfirma im Zuge der sog. ,,Arisierung" weit unter Wert verkauft worden.
Wie die Kahns sahen viele Stuttgarter jüdische Familien ihre einzige Möglichkeit, dem Terror und der Gefahr für Leib und Leben zu entkommen darin, ins Ausland auszuwandern, auch wenn dies mit erheblichen finanziellen Einbußen, einer
beruflich ungesicherten Zukunft, letztlich mit dem Verlust von Freunden und der Heimat verbunden war. Die Kahns waren noch eine junge Familie mit einer kleinen Tochter. Sie hatten das Leben noch vor sich und die Niederlande waren nicht weit weg.
1938 war es soweit: In Amsterdam versuchten sie ein neues Leben. Alfred war er 45, Trude 33 Jahr alt. –Doch Holland war nicht weit genug; die Nazi-Kriegsmaschinerie holte sie dort ein. Wie viele andere ihrer holländischen und deutschen Religionsangehörige wurden sie 1941 als Juden in das berüchtigte Konzentrationslager Westerbork verschleppt. Von dort wurde die Familie am 21. April 1943 im Eisenbahnwaggon quer durch Deutschland nach Theresienstadt verbracht.
Nicht einmal ein halbes Jahr später schickte man sie am 29. September 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz in den Tod.
Recherche und Text: Josef Klegraf, Initiative Stolpersteine Stuttgart-Nord.
Quellen:
StolperKunst belebt Erinnerung
...ein Projekt der Stuttgarter Stolperstein-Initiativen gegen Geschichtsvergessenheit!
Warum Stolpersteine?
Für Hannelore Levi und ihre Eltern Berta und Ernst, letztere 1942 in Riga ermordet, wurden im Herbst 2017 Stolpersteine in Stuttgart verlegt. Pip McCosh (*1965, Neuseeland), Tochter von Hannelore Levi (*1928, Stuttgart, gest. 2012, Neuseeland) schrieb am 22. Januar 2018 eine e-mail, die anschaulich zeigt, dass Stolpersteine ihre Schleifen bis ins Hier und Jetzt ziehen...
Übersichtskarte der Stolpersteine
in der Reihe TÜBINGER JUDAISTISCHE STUDIEN erschienen:
Briefe zur JÜDISCHEN EHEVERMITTLUNG 1911-1921
Publikationen aus dem Stuttgarter Norden
Broschüre über „Else Kahn, geb. Jeselsohn. Nachgetragene Würde – nachgetragene Liebe. Eine Lebensgeschichte“
Broschüre „Der Killesberg unterm Hakenkreuz"
Der Stuttgarter "Judenladen": Ein fast vergessenes Stück Stuttgarter Stadtgeschichte
Die Geheime Staatspolizei in Württemberg und Hohenzollern
Ingrid Bauz, Sigrid Brüggemann, Roland Maier
Das jüdische Zwangsaltenheim in Eschenau und seine Bewohner
Herausgegeben von Martin Ulmer und Martin Ritter
Aus dem KZ Theresienstadt: "Was mich aufrecht erhielt, war die Post ..."
Postkarten aus Theresienstadt von Gertrud Nast-Kolb an ihre Tochter Ilse in Stuttgart (1944-1945)
heraus-gegeben von Margot Weiß
Verlegt
Krankenmorde 1940-41 am Beispiel der Region Stuttgart
heraugegeben von Elke Martin
Ernst Köhler
im August 1940 in Grafeneck ermordet - weil er krank war
weiter
Walter, Hanna, Sofie, Rose, Erich, Auguste, Albert und Werner Levi
die ganze Familie wurde von den Nazis auf erschreckend gründliche Weise vernichtet weiter
Max und Mathilde Henle
Letzter frei gewählter Wohnort:
Hohentwielstrasse 146 B, Stuttgart Süd
Lydia Heilborn und ihre Tochter Gertrud
die Tochter in Grafeneck ermordet, die Mutter in Theresienstadt weiter
Hermine Wertheimer
zwangsevakuiert, deportiert und enteignet weiter